Das trockene Auge - eine Volkskrankheit
Vielen wird es bekannt vorkommen: die Augen brennen, sind gereizt und tränen. Besonders in der kalten Jahreszeit spitzen sich die Beschwerden zu und auch das Sehen wird verschwommener. Dies kann zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führen.
Das trockene Auge (auch dry-eye-syndrome genannt) betrifft viele Menschen. Laut Datenlage sind 15 - 17% der Gesamtbevölkerung in Deutschland durch die Erkrankung beeinträchtigt.
Häufig handelt es sich um sogenannte „Mischformen“ der Erkrankung, bei der nicht ausschließlich ein Mangel an Tränen vorliegt, sondern zusätzlich auch die außen auf dem Tränenfilm liegende schützende Fettphase instabil wird. Der Tränenfilm besteht aus insgesamt 3 Schichten:
Auf der Hornhaut aufliegend innen befindet sich die Schleimschicht (Muzinschicht). Diese wird von den Becherzellen gebildet und sorgt für eine gleichmäßige Verteilung und Anhaftung des Tränenfilms auf der Oberfläche der Hornhaut („Klebeschicht“).
Es folgt die wässrige Schicht. Diese wird durch die Tränendrüsen gebildet. Sie macht den größten Teil des Tränenfilms aus und spielt eine wichtige Rolle für die Ernährung der Hornhaut und den Schutz vor Infektionen.
Ganz außen liegt die Lipidschicht dem Tränenfilm auf. Diese wird durch die in den Lidern liegenden Meibomdrüsen gebildet und schützt den Tränenfilm vor Verdunstung. Bei einer schlechten Funktion der Meibomdrüsen (z.B. bei Blepharitis oder Meibomdrüsendysfunktion) kann durch fehlende Fette auf der Oberfläche die Stabilität des Tränenfilms gefährdet sein.
Die dadurch hervorgerufenen Symptome werden sehr oft mit Trockenheits- und Sandkorngefühl sowie Brennen beschrieben und nehmen charakteristischerweise im Verlauf des Tages zu. Auch können Sehstörungen im Sinne von verschwommenem Sehen und Beteiligungen der Lidränder in Form von Rötung und Krusten auftreten. Durch Umgebungsbedingungen wie z.B. Klimaanlagen, Kaminofen oder ganztägiges Arbeiten am PC kann sich die Symptomatik verschlechtern.
Um eine Verbesserung der Beschwerden zu erzielen ist, eine konsequente Therapie unter anderem mit künstlichen Tränen sowie eine Anpassung (Lifestyle-Optimierung) der Rahmenbedingungen erforderlich.
Ursachen
Ein zunehmend immer wichtiger werdender Risikofaktor ist die Arbeit am Bildschirm. Bei der PC-Arbeit reduziert sich die Lidschlagrate und die Lidspaltenweite wird größer. Dies begünstigt die Entwicklung und auch das Voranschreiten eines schon bestehenden trockenen Auges. Das bekräftigen auch die aktuellen wissenschaftlichen Daten. Bei 23% der am Bildschirm arbeitenden Personen zeigte sich ein definitiv trockenes Auge und rund 44% hatten einen Verdacht auf ein trockenes Auge.
Gleiches gilt auch für den Gebrauch von Smartphones. Hierbei zeigen die neuesten Daten einen Anstieg der Symptome des trockenen Auges bei Kindern und Jugendlichen. Das Beschwerdebild besserte sich im Jugendalter erfreulicherweise schnell durch „Smartphone-Abstinenz“ und vermehrte Aktivität an der frischen Luft.
Des Weiteren spielen höheres Alter, hormonelle Ursachen (z.B. Frauen in den Wechseljahren) und dermatologische Grunderkrankungen (z.B. Rosazea) eine Rolle. Hier ist es oft ratsam, mit anderen medizinischen Fachrichtungen zu kooperieren. Umgebungsbedingungen wie trockene Raumluft durch Heizungen im Winter oder Klimaanlagen im Sommer können die Beschwerden verschlimmern. Auch postoperativ kann das Beschwerdebild des trockenen Auges auftreten, beispielswiese nach refraktiver Chirurgie (zB. LASIK) oder nach der Operation des grauen Stars (Katarakt-OP). Das dauerhafte Tragen von Kontaktlinsen stellt ebenfalls einen Risikofaktor dar.
Diagnose
Durch eine ausführliche Untersuchung in Ihrer Augenarztpraxis kann die Diagnose des trockenen Auges gestellt beziehungsweise bestätigt werden. Dabei kommen neben einer ausgiebigen Anamnese mit Herausstellung der Risikofaktoren unterschiedliche Untersuchungsmethoden zum Einsatz. Es wird ein Sehtest durchgeführt und die Augen an der Spaltlampe untersucht. Im Rahmen der Untersuchung werden auch die Lidränder beurteilt und unter anderem die Augenoberfläche angefärbt sowie die Aufrisszeit des Tränenfilms (Break-up-time) bestimmt (diese Zeit ist bei trockenen Augen deutlich verkürzt). Weitere diagnostische Methoden wie zum Beispiel der Schirmer-Test und interdisziplinäre Untersuchungen (z.B. Hormonstatus erheben) können zum Einsatz kommen.
Im Rahmen des Schirmer Test wird ein kleines Stück Filterpapier in den unteren Bindehautsack des Auges eingelegt. Nach einer bestimmten Zeit wird das Papier entfernt und die Menge der befeuchteten Fläche gemessen. Eine geringe Befeuchtung kann auf eine verminderte Tränenproduktion hinweisen.
Viele der oben genannten Untersuchungen sind mittlerweile komfortabel an modernen Geräten in der Augenarztpraxis durchführbar.
Therapie
Final wird eine auf die individuelle Symptomatik, Befund und Lebenssituation angepasste Therapie eingeleitet, denn trockenes Auge ist nicht gleich trockenes Auge. Wichtig ist dabei auch eine realistische Erwartungshaltung hinsichtlich des Ausmaßes und der Dauer der Therapie, welche Monate oder länger andauern kann. Hier wird ein Konzept erarbeitet, welches auch im Alltag realistisch umsetzbar ist. Im Rahmen der sogenannten Stufentherapie kommen zunächst künstliche Tränen zum Einsatz. Diese können je nach Befund kombiniert mit pflanzlichen Inhaltsstoffen (z.B. Euphrasia) oder als reine oberflächenaktive Stoffe angewendet werden (z.B. Hyaluronsäurepräparate). Auch ist bei den meisten „Mischformen“ der Erkrankung eine Verbesserung der außenliegenden Fettphase sinnvoll. Dies kann durch eine Pflege und Massage der Lidränder erreicht werden, da in der Nähe der Wimpern am Lidrand die fettproduzierenden Drüsen eingebettet sind. Diese Lidrandpflege sollte konsequent täglich durchgeführt werden. Im ersten Schritt erfolgt das Auflegen warmer Kompressen auf die geschlossen Augenlider. Dadurch öffnen sich die Meibomdrüsen im Lidrandbereich. Im Anschluss wird eine sanfte Massage der Lider durchgeführt, um die Drüsen zu stimulieren und die Sekretion des fetthaltigen Sekrets zu fördern. Final erfolgt die Reinigung der Lider mit Einmalkompressen oder speziellen Lidrandreinigungstüchern.
Alternativ und additiv kommen Tränenersatzmittel in Kombination mit Fetten zum Einsatz.
Die lokale Therapie kann im Verlauf noch weiter gesteigert werden (beispielsweise durch cortisonhaltige, ciclosporinhaltige oder Eigenserum-Augentropfen) sowie im Einzelfall auch durch systemische Therapien.
Im Alltag bietet es sich an, den Lebensstil anzupassen, um die Symptomatik zu lindern. Dabei sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden und Räume immer gut durchgelüftet werden. Von Vorteil ist es zudem, bei der PC-Arbeit auf ausreichende Pausen zu achten und beim Lesen an einen konsequenten Lidschlag zu denken. Auch Entspannungstraining und Pausen beim Lesen sind sinnvoll.
Fazit
Das trockene Auge ist eine sehr häufige Erkrankung welche zu unangenehmen Symptomen und Reizungen der Augen führt. Dies beeinträchtigt die Lebensqualität und teils auch den Arbeitsalltag.
Bei der je nach Befund angepassten und empfohlenen Therapie ist es wichtig dranzubleiben! Anders als häufig vermutet entsteht keinerlei Gewöhnungseffekt durch die lokale Behandlung mit künstlichen Tränenersatzmitteln. Sprechen Sie mit dem Team Ihrer behandelnden Augenarztpraxis über mögliche therapeutische Maßnahmen und verbessern Sie Ihre Lebensqualität und Ihr Sehen
Über den Autor
Fachärztin für Augenheilkunde, ocularis.pro Wetzlar