Normaldruckglaukom:
Eine stille Gefahr für die Sehnerven?!

Das Normaldruckglaukom (NDG) ist eine besondere Form des Glaukoms, die sich von anderen Arten des Grünen Stars unterscheidet. Es betrifft den Sehnerv und kann unbehandelt zu Sehverlusten oder sogar zur Erblindung führen – und das, obwohl der Augeninnendruck im Normalbereich liegt. Dieser Artikel erklärt, was ein Normaldruckglaukom ist, wie es diagnostiziert wird, welche Risikofaktoren es gibt und welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Was ist ein Normaldruckglaukom?
Das Normaldruckglaukom gehört zur Gruppe der Glaukomerkrankungen, die durch eine Schädigung des Sehnervens gekennzeichnet sind. Während bei den meisten Glaukomarten ein erhöhter Augeninnendruck (IOP) die Hauptursache für die Sehnervenschäden ist, tritt beim Normaldruckglaukom diese Schädigung auch bei einem normalen oder sogar niedrigen Augeninnendruck auf (zwischen 10 und 21 mmHg).

Die genaue Ursache für das Normaldruckglaukom ist noch nicht vollständig geklärt. Man geht jedoch davon aus, dass eine verminderte Durchblutung des Sehnervs und ein individuell erhöhter Augeninnendruck innerhalb des Normalbereichs zur Schädigung führen können.
Wie entsteht ein Normaldruckglaukom?
Die Schädigung des Sehnervs beim Normaldruckglaukom wird meist durch eine Kombination folgender Faktoren verursacht:
Verminderte Durchblutung:
Eine mangelhafte Durchblutung des Sehnervenkopfes kann dazu führen, dass die empfindlichen Nervenfasern nicht ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Dies macht den Sehnerv anfälliger für Schäden.
Erhöhter Augeninnendruck innerhalb des Normalbereichs („individueller Zieldruck“):
Obwohl der Druck im Auge statistisch nicht erhöht ist, kann ein individuell zu hoher IOP im oberen Normalbereich bei Menschen mit empfindlichem Sehnerv Schaden anrichten.
Mechanische Belastungen:
Eine erhöhte mechanische Belastung des Sehnervenkopfes, etwa durch die Anatomie des Auges, kann die Nervenfasern schädigen.
Systemische Faktoren:
Erkrankungen wie niedriger Blutdruck, Migräne, Schlafapnoe oder Durchblutungsstörungen können das Risiko für ein Normaldruckglaukom erhöhen.
Risikofaktoren für ein Normaldruckglaukom
Ein Normaldruckglaukom kann jeden treffen, doch bestimmte Faktoren erhöhen das Risiko:
Alter: Menschen über 60 Jahre haben ein höheres Risiko, an einem Normaldruckglaukom zu erkranken.

Genetik: Eine familiäre Vorbelastung mit Glaukom oder Normaldruckglaukom kann das Risiko erhöhen. Durchblutungsstörungen: Krankheiten wie Raynaud-Syndrom, niedriger Blutdruck oder Migräne können eine Rolle spielen.
Schlafapnoe: Diese Atemstörung, die während des Schlafes auftritt, ist ein weiterer Risikofaktor.
Asiatische und japanische Herkunft: Menschen aus diesen Bevölkerungsgruppen haben ein höheres Risiko, ein Normaldruckglaukom zu entwickeln.
Symptome des Normaldruckglaukoms
Das Normaldruckglaukom entwickelt sich schleichend und bleibt häufig über Jahre unbemerkt. Frühe Symptome fehlen oft, was die Erkrankung besonders gefährlich macht.

Typische Anzeichen im fortgeschrittenen Stadium sind: Verlust des peripheren Sehens: Der Verlust des Gesichtsfeldes beginnt meist schleichend und unbemerkt.
Tunnelblick: Im späteren Verlauf kann es zu einem Tunnelblick kommen, bei dem nur noch das zentrale Sehen erhalten bleibt.
Lichtempfindlichkeit und Sehprobleme in der Dämmerung: Manche Betroffene berichten über Schwierigkeiten bei schwachem Licht.
Keine Schmerzen: Anders als bei einem akuten Glaukomanfall treten beim Normaldruckglaukom keine Schmerzen auf.
Diagnose eines Normaldruckglaukoms
Die Diagnose eines Normaldruckglaukoms ist anspruchsvoll und erfordert eine umfassende Untersuchung durch den Augenarzt. Zu den wichtigsten diagnostischen Methoden gehören:
Messung des Augeninnendrucks (Tonometrie):
Beim Normaldruckglaukom liegt der Druck in der Regel im statistischen Normalbereich, weshalb diese Untersuchung allein nicht ausreicht.
Beurteilung des Sehnervenkopfes (Ophthalmoskopie):
Der Augenarzt untersucht die Papille, den Ausgangspunkt des Sehnervs. Charakteristische Veränderungen wie eine erhöhte Aushöhlung (Exkavation) deuten auf ein Glaukom hin.
Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie):
Diese Untersuchung zeigt, ob es bereits zu Gesichtsfeldausfällen gekommen ist.
Optische Kohärenztomographie (OCT):
Mit der OCT können die Nervenfaserschicht und die Struktur des Sehnervs genau untersucht werden, um frühe Schäden zu erkennen. Das OCT ist hier von besonderer Wichtigkeit!
Blutdruckmessung:
Da niedriger Blutdruck ein Risikofaktor ist, wird oft auch der Blutdruck und der 24-Stunden-Blutdruck durch den Hausarzt und/oder Internisten untersucht, sowohl tagsüber als auch nachts.
Pachymetrie (Messung der Hornhautdicke):
Eine dünne Hornhaut kann die Messung des Augeninnendrucks beeinflussen und das Risiko eines Normaldruckglaukoms erhöhen.

Behandlung des Normaldruckglaukoms
Obwohl die Ursachen komplex sind, zielt die Behandlung darauf ab, den Sehnerv zu schützen und das Fortschreiten der Krankheit zu verhindern. Die wichtigsten Therapieansätze umfassen:
Senkung des Augeninnendrucks:
Auch wenn der Augeninnendruck im Normalbereich liegt, kann eine leichte Drucksenkung das Fortschreiten des Glaukoms verlangsamen. Dies geschieht meist durch Augentropfen, die den Druck senken, wie Prostaglandinanaloga, Betablocker oder Carboanhydrasehemmer.
Verbesserung der Durchblutung: 
Medikamente oder Änderungen des Lebensstils können helfen, die Durchblutung des Sehnervs zu fördern. Beispielsweise wird darauf geachtet, dass keine extrem niedrigen nächtlichen Blutdruckwerte (“Dipping“) auftreten.
Lasertherapie: 
Eine selektive Lasertrabekuloplastik (SLT) kann den Abfluss des Kammerwassers verbessern und so den Augeninnendruck senken.
Operative Maßnahmen:
Wenn Medikamente und Lasertherapie nicht ausreichen, können operative Eingriffe wie die Trabekulektomie oder der Einsatz von Drainagesystemen in Erwägung gezogen werden.
Lebensstiländerungen:
Vermeidung von Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum, da diese die Durchblutung beeinträchtigen können.
Regelmäßige Bewegung, um die allgemeine Durchblutung zu verbessern.
Stressmanagement und Vermeidung von Druck auf den Sehnerv, beispielsweise durch Schlafen auf der Seite.
Prognose und Verlauf
Ein Normaldruckglaukom kann nicht geheilt werden, doch eine frühzeitige Diagnose und konsequente Behandlung können das Fortschreiten der Krankheit deutlich verlangsamen. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Augenarzt sind unerlässlich, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und die Therapie anzupassen.

Fazit
Das Normaldruckglaukom ist eine heimtückische Erkrankung, die ohne deutliche Warnzeichen zu einem Verlust der Sehkraft führen kann. Besonders Menschen mit Risikofaktoren sollten regelmäßige augenärztliche Untersuchungen wahrnehmen, um eine frühzeitige Diagnose zu ermöglichen. Mit der richtigen Therapie und einem gesunden Lebensstil kann der Sehverlust erheblich verlangsamt und die Lebensqualität erhalten werden. Denken Sie daran: Eine frühzeitige Vorsorge ist der beste Schutz für Ihre Augen

Über den Autor

Prof. Dr. med. Thomas Bertelmann
Prof. Dr. med. Thomas Bertelmann
FEBO
Facharzt für Augenheilkunde

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