Zweitmeinungsverfahren – Ihr gutes Recht

Patientinnen und Patienten haben vor ausgewählten empfohlenen medizinischen Eingriffen einen gesetzlichen Anspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung. Der Anspruch auf Zweitmeinung ist im „GKV-Versorgungsstärkungsgesetz“ von 2015 verankert, gesetzliche Grundlage hierfür ist § 27 b SGB V.

Bislang kann eine ärztliche Zweitmeinung für folgende Eingriffe eingeholt werden:

• Gebärmutterentfernung

• Mandeloperation

• Schulterarthroskopie

• Implantationen von Knieendoprothesen

• Amputationen beim diabetischen Fußsyndrom

• Eingriffe an der Wirbelsäule

• kathetergestützte elektrophysiologische Herzuntersuchungen (EPU) und Ablationen am Herzen

• Implantation eines Herzschrittmachers oder eines Defibrillators 

• geplante Entfernung der Gallenblase

• geplante Eingriffe zum Hüftgelenkersatz

• geplante Eingriffe an Aortenaneurysmen (in Hessen seit 1.10.2024)

Jede Ärztin, jeder Arzt, der einen der o.a. Eingriffe seinen Patienten vorschlägt und plant selbst durchzuführen ist gesetzlich verpflichtet, die Patienten auf das Recht einer unabhängigen Zweitmeinung aufzuklären. Die Aufklärung hierüber ist zu dokumentieren.

Laut aktueller Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen wird dieses Recht von Patientinnen und Patienten bisher nur sehr selten wahrgenommen, wobei es hierzu jedoch keine detaillierte statistische Auswertung in Hessen gibt. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um ein freiwilliges Angebot, unabhängig davon, bei welcher gesetzlichen Krankenkasse Sie versichert sind, es entstehen für Patientinnen und Patienten dadurch keinerlei Kosten. 

Eine Zweitmeinung muss nicht eingeholt werden, bietet jedoch einige Vorteile:

Falls Sie nach der Empfehlung des Eingriffs noch offene oder neu entstandene Fragen haben, bietet Ihnen eine „zweite Meinung“ die Möglichkeit, diese Fragen mit einer Ärztin oder einem Arzt mit besonderen Fachkenntnissen und Erfahrungen zu besprechen. Sie können sich dabei über die Notwendigkeit der Durchführung des Eingriffs oder alternative Behandlungsmöglichkeiten beraten lassen.

Da es sich in diesem Fall um einen geplanten Eingriff und nicht um einen Notfall handelt, haben Sie auch die Zeit, sich Ihre Entscheidung gut und in Ruhe zu überlegen.

In vielen Situationen sind in der Medizin verschiedene Vorgehensweisen denkbar. So kann es durchaus sein, dass es genauso sinnvoll ist abzuwarten, wie unmittelbar einen operativen Eingriff durchzuführen. Damit Sie für sich eine gut begründete Entscheidung treffen können, können Sie eine unabhängige ärztliche Meinung zu dem empfohlenen Eingriff einholen. Mit dem Zweitmeiner können Sie die Notwendigkeit des empfohlenen Eingriffs besprechen und so etwaige Fragen oder Zweifel klären oder sich über alternative Behandlungsmöglichkeiten beraten lassen, mit denen eine Operation eventuell vermieden werden kann. Die Entscheidung, ob überhaupt ein Eingriff durchgeführt wird oder nicht, bleibt aber immer Ihre Entscheidung. 

Der Zweitmeiner kann Sie dann am besten beraten, wenn er medizinisch nachvollziehen kann, warum Ihnen der Eingriff empfohlen wurde. Dazu werden idealerweise alle bereits erhobenen Befunde, Untersuchungsergebnisse und Angaben zu eventuell schon erfolgten Behandlungen benötigt. Diese Befunde sind die Grundlage für die Empfehlung der behandelnden Ärztin bzw. des behandelnden Arztes zum Eingriff gewesen. Bitte bringen Sie daher zum Termin beim Zweitmeiner möglichst alle Befunde und Ergebnisse der bei Ihnen bereits durchgeführten Untersuchungen mit. Bitten Sie dafür Ihre behandelnde Ärztin oder Ihren behandelnden Arzt, Ihnen die genannten Unterlagen auszuhändigen. Kosten entstehen Ihnen hierfür nicht. Indem Sie die schon vorhandenen Unterlagen zum Zweitmeinungsgespräch mitbringen, helfen Sie unnötige Wiederholungen von Untersuchungen (z.B. Röntgenuntersuchungen) wie auch Zeitverzögerungen zu vermeiden. Sie können Ihre behandelnde Ärztin oder Ihren behandelnden Arzt auch bitten, diese Befunde und Unterlagen direkt an den von Ihnen gewählten Zweitmeiner zu übersenden. Falls Sie sich unsicher sind, ob Sie die Zweitmeinung überhaupt in Anspruch nehmen wollen, ist dies kein Problem. Sie können Ihre Unterlagen auch erst dann, wenn Sie sich für die Einholung einer Zweitmeinung entschieden haben, abholen oder direkt an den Zweitmeiner weiterleiten lassen.

In der Regel sollten weitere Untersuchungen nicht notwendig sein. Die Einschätzung des Zweitmeiners stützt sich vor allem auf die vorliegenden Befunde und das persönliche Gespräch mit Ihnen. Falls er es für erforderlich erachtet, kann er auch weitere Untersuchungen durchführen. Ziel ist es, dass der Zweitmeiner unabhängig von Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt die medizinische Notwendigkeit des empfohlenen Eingriffs prüft und Ihnen seine Einschätzung erläutert.

Der Zweitmeiner wird Ihnen seine Einschätzung mitteilen. Es kann sein, dass er die ursprüngliche Empfehlung zum Eingriff teilt, er Ihnen eine andere Behandlung empfiehlt oder er von Maßnahmen abrät. Wenn Sie es wünschen, teilt der Zweitmeiner seine Einschätzung Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt mit. Wenn Sie dies wünschen, erhalten Sie auch eine schriftliche Zusammenfassung der Zweitmeinung.

Wissenschaftlich fundierte und unabhängige Gesundheitsinformationen finden Sie im Internet zum Beispiel hier: www.gesundheitsinformation.de/zweitmeinung 

Dort finden Sie u. a. auch spezielle weiterführende Informationen zu den Zweitmeinungsthemen. Zusätzlich ist dort auch eine generelle Entscheidungshilfe zum Ausfüllen verfügbar, die Ihnen helfen kann, für Sie noch wichtige offene Punkte herauszufinden, damit Sie besser wissen, was Sie in der Beratung beim Zweitmeiner noch an Informationen brauchen, um zu einer Entscheidung kommen zu können.

Ärztinnen und Ärzte, die eine qualifizierte Zweitmeinung zu einem geplanten Eingriff abgeben, müssen besondere Qualifikationen vorweisen (u. a. eine von der Landesärztekammer genehmigte Weiterbildungsermächtigung im entsprechenden Fachgebiet besitzen, die berechtigt, Ärzte zum Facharzt weiterzubilden), bevor sie von der Kassenärztlichen Vereinigung als „Zweitmeinungsarzt“ anerkannt werden und diese Leistung genehmigt bekommen.

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen stellt auf einer Internetseite eine Übersicht zur Verfügung, welche Ärztinnen und Ärzte in Hessen über die Genehmigung im Zweitmeinungsverfahren als Zweitmeinungsgeber verfügen. Die Seite ist erreichbar unter:

https://www.arztsuchehessen.de

Im Feld „Suchbegriff“ gibt man nun das Wort „Zweitmeinungsverfahren“ ein und wählt hiernach den entsprechenden Eingriff aus und erhält dann eine Liste mit den entsprechend qualifizierten Fachärztinnen und Fachärzten.

 

 Quellen:

• Kassenärztliche Vereinigung Hessen

• Gemeinsamer Bundesausschuss: Patientenmerkblatt „Zweitmeinungsverfahren bei geplanten Eingriffen“

Über den Autor

Dr. med. Oliver A. Schmidt
Dr. med. Oliver A. Schmidt
Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie

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