
Schlafstörungen vom Säuglings- bis ins Jugendalter
Keinen ruhigen, gar erholsamen, sanften nächtlichen Ruheschlaf finden nach ausführlich medizinisch und psychologischen Studien sehr viele - bis zu 40 % - unserer Kinder.
Die Gefahr auch langfristig körperlicher sowie geistig seelischer Gesundheitsstörungen
darf nicht unterschätzt werden, die Patienten und ihre Familie bedürfen früher fachlicher Hilfe. In diesem Beitrag wird über unterschiedliche Symptome, Ursachen und mögliche Behandlungsmethoden berichtet.
Der Schlaf hat als ganz elementarer Teil unseres täglichen Lebens insbesondere in der frühen körperlich, geistig und emotional seelischen Entwicklungsphase eine überaus wichtige Funktion: Im Schlafzustand erholt sich einerseits der Körper von den vielfältigen, nicht selten lebhaften und durchaus anstrengenden motorischen Aktivitäten des Tages im Ruhemodus und das Gehirn benötigt diese biologische Phase dringend zur Verarbeitung des Geschehenen, der mannigfaltigen Ereignisse, Eindrücke und Empfindungen..
Dabei geht es darum, die neuen Sinnes- und Körpererfahrungen in ein
Lebenslang, stetig wachsendes „Weltbild“ einzuordnen, zu koordinieren und zu bewerten. Dies geschieht im Wachstumsalter ganz konkret durch die ständige Produktion neuronaler Nervenverbindungen zwischen sehr differenzierten jeweils zuständigen Hirnarealen. Das junge heranwachsende Gehirn wächst und will sich in Ruhe strukturieren. Diese komplexen Hirnreifungsprozesse werden durch einen unruhigen, unterbrochenen Schlaf erheblich gestört und können – insbesondere bei häufigem, langem und schwerem Verlauf zu vielfältigen Schwierigkeiten führen.
Das natürliche Schlafbedürfnis beträgt in den ersten Lebenswochen 16 – 18 Stunden, im 2. Lebensjahr 13 Stdn. mit 10 Jahren etwa 9 Stdn. Ein Mittagsschlaf entfällt meist ab dem 7. Lebensjahr.
Die Ursache von Schlafstörungen kann vielfältig sein
Genetik (erbliche Veranlagung) als „Innere Uhr“ bestimmt nicht selten den Schlaf-Wachrhythmus der Kinder. Es gab schon immer Frühaufsteher „Lerchen“ und spätaktive „Nachteulen“ entsprechend der individuellen „Inneren Uhr“- dem „Chronorhythmus“. Kinder und Jugendliche mit neuropsychiatrischen Erkrankungen wie ADHS (70%!), Autismus - Spektrumstörungen, nach zerebralen Infektionen wie Enzephalitis/Meningitis, Epilepsie oder als Unfallfolge mit Schädel-Hirntraumata leiden häufiger unter Schlafstörungen.
Eine Nahrungsmittelallergie (z.B. gegen Kuhmilch) kann bereits bei jungen Säuglingen durch Bauchschmerzen zu heftigen Schlafstörungen führen.
Umweltfaktoren sind jedoch bei weitem die häufigsten Auslöser von Schlafstörungen. Ein nicht selten hoher familiärer Anspruchsdruck und das soziale Umfeld unserer leistungsorientiert, schnellebigen, oft lauten und hektischenn Gesellschaft führt bei sensiblen, überforderten Kindern zu einem gestörtem Schlaf– Wach Rhythmus. So unterdrückt wissenschaftlich nachgewiesen jegliche Bildschirmnutzung durch– Blaulicht von Fernsehgerät, Smartphone, Tablets oder Computer die Produktion des unverzichtbar lebenswichtigen „Schlafhormons“ Melatonin und erschwert so gesundes Ein- und Durchschlafen.
Erscheinungsformen - Symptome von Schlafstörungen
Schlafapnoe
ist gekennzeichnet durch wiederholte kurze oder langanhaltende Atemaussetzer, die durch akuten Sauerstoffmangel im Gehirn langfristig unbehandelt unweigerlich zu kognitiven und emotionalen Schäden führen.
Parasomnie und Albträume
Sind Symptome mit nächtlichem Aufschrecken, Schreien und Weinen, Zähneknirschen (Bruxismus) und Schlafwandeln (Somnambulie). Diese Zustände entstehen oft im Zusammenhang mit emotional ungelösten Konflikten oder individuell auch bei erhöhter mentaler, schulisch intellektueller oder sozialer sowie auch körperlicher Überforderung.
Folgen eines chronischen Schlafmangels sind eindrucksvoll in den Bereichen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Lernbehinderungen mit schlechteren schulischen Leistungen samt Erlernen sowie nicht altersgemäß angemessenem Verarbeiten neuer Informationen aller Art im Alltag.
Eine emotionale Instabilität fällt als häufig schnelle Reizbarkeit, impulsives, teils unkoordiniertes Verhalten sowie eine geringe Belastbarkeit bei chronischem Verlauf auch gelegentlich durch depressive Phasen und Ängste vor Dunkelheit, Schulversagen, Trennungen - bis hin zu Panikattacken auf.
Ein unruhiger Schlaf wurde in Studien auch vermehrt bei hormonellen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder bei starkem Übergewicht beschrieben.
Frühe und differenzierte Diagnostik ist bei Schlafstörungen unerlässlich
Welche Methoden stehen pädiatrischen und kinderpsychologischen Experten zur Verfügung? Am Anfang steht immer eine ausführliche Anamnese mit Elternbefragung inklusive mittlerweile standardisierter Fragebögen sowie als „Aufgabe“ für die Eltern das Führen eines Schlafprotokolls über Zeit, Umgebungssituation und Art der Schlafstörung statt.
Durch die fachärztliche körperliche Untersuchung samt umfassender Laborblutuntersuchungen werden mögliche organische Ursachen abgeklärt. Bei Verdacht auf schwerwiegende Störungen wie z.B. Schlafapnoe oder ein Anfallsleiden erfolgt eine komplexe Polysomnographie mit Aufzeichnung von nächtlicher Augenmuskelaktivität (EMG/EOG), Herzaktion (EKG) plus Hirnkurvenmessung (EEG), Blutsauerstoffsättigung - regelmäßige Verlaufskontrollen werden vereinbart.
Behandlungsmöglichkeiten einer Schlafstörung
Jede Therapie bei schlafauffälligen Patienten erfordert einen ganzheitlichen Ansatz mit gründlicher Abklärung und Information zur Ursachensuche und Anleitung mit konkret präventiven Vorsorgemaßnahmen. Im Vordergrund steht zumeist die Verbesserung der Schlafhygiene.
Die Eltern sind mit einem liebevoll geduldig empathischen Verständnis für das Leiden des Kindes unverzichtbarer Teil der Genesung. Die Kinder müssen im „Anfall“ vor allem beruhigt und getröstet werden. Regelmäßigkeit ohne Diskussion und bewährte Routine beim Zubettgehen/legen sind altbekannte Einschlafhilfen wie Erzählen, Vorlesen, sanftes Reden oder Singen, auch kurzes Streicheln, Kuscheln in Ruhe und Dunkelheit oder gedämpftem Licht in angstfreier, sauberer und gut gelüfteter Umgebung mit und ohne Lieblingskuscheltier aber strikt ohne jedwede elektronische Bildschirmaktivität! Gemeinsames Zähneputzen gehört durchaus auch zu einem konsequenten „Einschlafprogramm“. Kein schwer verdauliches Abendessen und möglichst nicht nach 19 Uhr nicht zu viel trinken, um häufiges Windelwechseln oder Aufstehen zum Wasserlassen zu vermeiden. Eher als ungünstig erweist sich langfristig die Aufnahme des schlafgestörten Kindes in das eigene Ehebett dafür leichtes Dämmerlicht zur Orientierung brennen lassen. Bei Schlafwandeln sind Vorsichtsmaßnahmen wie Bettgitter, barrierefreies Zimmer bis zum Wohnungsabschluss mit Schlüsselentzug erforderlich, evtl. Bewegungsmelder mit Lichtschalter - Schlafwandeln verliert sich allermeist während der Pubertät. Immer hilfreich sind viel Bewegung ohne Überanstrengung auch gezielte Entspannungstechniken bei älteren Kindern. Zur Unterstützung der Eltern werden vielerorts gezielt Schulungen durch Psychologen angeboten.
Kognitive Verhaltenstherapie der Kinderpsychiater/psychologen haben sich insbesondere bei chronifizierten Stress - und Angst besetzten Schlafstörungen sehr bewährt. Unterstützend können aus der Phytotherapie Teezubereitungen mit Melisse oder Passionsblume versucht werden. Reine Baldrianextrakte sind für Kleinkinder nicht geeignet.
Die medikamentöse Behandlung einer Schlafstörung wird bei schwerem und häufigem Schlafentzug mit meist zeitlicher Begrenzung und unter ärztlicher Kontrolle erfolgreich angewendet. Dazu stehen Präparate wie Melatonin („Pinealin“), Antihistaminika, Benzodiazepinderivate oder auch milde Antidepressiva in jeweils altersgerechter Dosierung zur Verfügung. Vor einer Selbstbehandlung mit meist gemischten Nahrungsmittelergänzungspräparaten wird ärztlicherseits wegen Unkontrollierbarkeit der Dosis mit der Gefahr einer Vergiftung nachdrücklich gewarnt.
Gespräche mit Kitabetreuern oder Schullehrern können hilfreich sein einerseits die gestörte Schlaf-Wachsituation ihres Kindes mit seinen oft täglichen Folgen eines vielleicht unangemessenen Verhaltens oder anderweitiger Probleme zu erläutern und dadurch mit entgegenkommendem Verständnis und Wohlwollen sogar flexible Kita/Schulstartzeiten zu erreichen.
Es besteht durchaus eine berechtigte und große Hoffnung auf ein Abklingen und ein Ende der Schlafstörung bei aufmerksamer und liebevoller Betreuung mit der ständigen Entwicklung der Kinder.