
Wie gesund ist Kaffee wirklich?
Kaffee hat mehr als 1000 Inhaltsstoffe. Koffein ist der bekannteste und am besten untersuchte, aber bei weitem nicht der einzige. Chemisch gesehen gehört Koffein zu den Alkaloiden – und wird pharmakologisch und medizinisch als Droge eingestuft. In der Medizin galt Kaffeekonsum lange Zeit als Risikofaktor für Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Im Arztgespräch wurde deshalb neben Nikotin und Alkohol auch regelmäßig der Kaffeekonsum erfragt. Noch bis zum Jahr 2016 stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Kaffee als möglicherweise krebserregend ein, da in älteren Studien Menschen mit hohem Kaffeekonsum auch vermehrt Blasenkrebs hatten.
Vom Risikofaktor zum „Gesundmacher“
Heute hat sich die wissenschaftliche Auffassung zum Kaffee um fast 180° gedreht. Jüngere Studien deuten darauf hin, dass Kaffee möglichweise das Risiko für eine Erkrankung an Prostatakrebs, Leberkrebs, Nierenkrebs, Hautkrebs und Darmkrebs reduzieren könnte. Kaffee soll das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen, Diabestes Typ 2, Demenz und von Morbus Parkinson absenken und sich günstig auf den Leberstoffwechsel auswirken. Er soll sogar die Lebenszeit verlängern. Statistiker des Imperial College in London hatten nach einer Langzeitbeobachtung die Gesundheitsdaten von mehr als einer halben Million Menschen ausgewertet und kamen zu dem Ergebnis: „Kaffeetrinker leben länger“.
Wann sollte man Kaffee trinken?
Das spät getrunkener Kaffee den Schlaf stören kann, ist allgemein bekannt. Darüber hinaus gibt es keine einheitliche Datenlage dazu, ob Kaffee morgens, mittags oder nachmittags gesünder ist.
Wieviel Kaffee ist gesund?
Kaffee ist nicht in jeder Dosis gesund. Sicher ist, dass sehr hohe Dosen Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen und bei manchen Menschen auch Angstzustände auslösen können. Doch bei der Frage, wo genau die Grenze liegt, ab der Kaffee ungesund wird, scheiden sich die Geister. Drei bis vier Tassen (bei Schwangeren die Hälfte) sind lt. Deutscher Gesellschaft für Ernährung in Ordnung. In einigen Publikationen werden auch 7 Tassen empfohlen. Das Problem solcher Empfehlungen beginnt schon damit, dass sie Ihren Kaffee nicht genau definieren. Es gibt viele verschiedene Kaffeesorten mit ganz unterschiedlichem Koffeinanteil. Bei Arabicabohnen liegt der der Koffeingehalt bei ca. 1,1 bis 1,7%, in Robustabohnen bei ca. 2 bis 4%. Darüber hinaus spielt es auch eine Rolle, wie stark der aufgebrüht und wie groß die Tasse ist. Übrigens liegt die tödliche Dosis für Koffein beim Menschen bei ca. 5 g, das entspricht ungefähr 10 Litern mit durchschnittlichem Koffeingehalt.
Was macht den Kaffee so gesund?
Koffein ist der am meisten erforschte Bestandteil im Kaffee. Koffeinstudien zeigen aber, dass Koffein allein nicht die gesundheitsfördernden Eigenschaften hat, die dem Kaffee zugeschrieben werden. Unter den mehr als Tausend Inhaltsstoffen befinden sich zahlreiche Polyphenole, die als Antioxidantien wirken. Die braucht der Körper, um freie Radikale – aggressive Sauerstoffmoleküle, die Zellstrukturen wie DNA oder Proteine schädigen können – zu neutralisieren. Der Koffeingehalt spielt an dieser Stelle keine Rolle. In einer rohen Kaffeebohne stecken je nach Sorte vier bis zwölf Prozent Polyphenole, in Robustabohnen etwas mehr als in Arabica. Die Röstung hat Einfluss auf Anteil und Zusammensetzung der Polyphenole. Aus wissenschaftlicher Sicht wird eine mittlere Röstung bei ca. 210-220°C empfohlen (Food Science & Nutrition: Wu et al., 2022). Der industriell geröstete Kaffee aber wird nur wenige Minuten bei etwa 600 Grad geröstet – hier ist leider unklar, wie viele antioxidative Stoffe danach noch im Kaffee stecken.
Kaffee-Studien: Das Problem von Koinzidenz und Kausalität
Lange Zeit glaubte man, dass Kaffee die Entstehung von Blasenkrebs fördere. Studien hatten gezeigt, dass bei Menschen die vermehrt Kaffee getrunken hatten auch häufiger Blasenkrebs auftrat. Die Studien hatten den Fehler, dass sie nicht strikt zwischen Kaffee- und Tabakkonsum trennten und die dort untersuchten Kaffeetrinker auch vermehrt Raucher waren. Das kam erst viel später raus. Ich erwähne das, weil diese Geschichte ein grundlegendes Problem vieler epidemiologischer Studien aufzeigt. Wenn zwei Ereignisse gleichzeitig auftreten (man nennt dies Koinzidenz, z.B. Kaffeekonsum und Blasenkrebs) bedeutet dies noch lange nicht, dass es auch einen ursächlichen Zusammenhang (Kausalität) gibt. Man könnte beispielsweise in einer Studie zeigen, dass Menschen, die ein Feuerzeug in der Hosentasche haben, häufiger an Lungenkrebs erkranken. Niemand würde aber glauben, dass Feuerzeuge Lungenkrebs verursachen.
Leider können auch aktuellere epidemiologische Untersuchungen zur Wirkung von Kaffee in aller Regel nicht zwischen statistischer Häufung (Koinzidenz) und Ursache (Kausalität) unterscheiden. Warum in den oben zitierten Studien Kaffeetrinker länger leben als andere Menschen, lässt sich nicht beantworten, auch nicht ob der Kaffee dabei überhaupt eine Rolle spielt. Vielleicht trinken Menschen mit Vorerkrankungen oder hohen Krankheitsrisiken generell weniger Kaffee.
Auch andere dem Kaffee zugeschriebene gesundheitsfördernde Wirkungen sind mit Vorsicht zu bewerten. Das bedeutet nicht automatisch, dass zugrundeliegenden Studien fehlerhaft sein müssen. Nicht selten werden Ergebnisse journalistisch falsch oder überinterpretiert.
Kaffee-Studien: Wer zahlt
An unseren Universitäten wird ein erheblicher Teil wissenschaftliche Projekte durch sogenannte „Drittmittel“, d.h. außeruniversitäre Geldgeber (u.a. Industrie) gefördert oder finanziert. Das macht Forschung bezahlbar und solange allgemeine wissenschaftliche Regeln eingehalten werden, ist das in Ordnung.
Lebensmittelstudien, zu den Kaffeestudien gehören, werden häufig von Lebensmittelproduzenten in Auftrag gegeben und/oder finanziert. Eine Metaanalyse solcher Studien aus dem Jahre 2018 ergab jedoch, dass bei industriefinanzierten Ernährungsstudien mit 5–7-mal höherer Wahrscheinlichkeit positive Effekte für das Produkt behauptet wurden als bei unabhängigen Studien. Daher lohnt es sich bei Studien auch hinzusehen, wer sie finanziert hat.
Fazit:
Kaffee hat mehr als 1000 verschiedene Inhaltsstoffe und sein prominentester, das Koffein, wird den psychoaktiven Substanzen zugerechnet. Nach einer Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist der Konsum von bis 400 mg Koffein pro Tag (ca. 4-5 Tassen Kaffee) unbedenklich. Wahrscheinlich hat Kaffee darüber hinaus auch eine gesundheitsfördernde Wirkung. Eine Vielzahl möglicher positiver Wirkungen wird derzeit diskutiert und erforscht. Das ist spannend, sollte aber nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten. Und übrigens: Allheilmittel gibt es nicht.