
Adipositas und die Zuckererkrankung
Das ursprüngliche Ziel der Adipositaschirurgie hat sich in den letzten Jahren erweitert und zwar auf die gezielte Behandlung einer ganz bestimmten Stoffwechselerkrankung. Aus diesem Grund wird die Chirurgie der Adipositas nicht mehr „Bariatrische Chirurige“ sondern „Metabolische Chirurgie“ genannt.
Diese Erkrankung ist die Zuckerkrankheit, genauer - der Diabetes Mellitus Typ 2.
Er ist eine der wichtigsten und häufigsten Volkskrankheiten weltweit. Der angeborene Diabetes Typ 1 ist deutlich seltener.
Als Vorstufe der Erkrankung gilt das so genannte „metabolische Syndrom“. Hierbei handelt es sich um das gleichzeitige Auftreten mehrerer Symptome, wie Adipositas, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Fettleber. Dazu kommt die Resistenz gegen die Wirkung des Insulins und damit einhergehend eine Verwertungsstörung des Zuckers. Sehr viele Patienten mit Adipositas leiden unter diesen Erkrankungen, oft, ohne dass sie es wissen.
Das Schlüssel-Enzym für die Zuckerverwertung (Zucker ist unser wichtigster Energieträger) im Körper ist das Insulin. Es wird von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet und senkt den Blutzuckerspiegel, indem es den durch die Nahrung aufgenommenen Zucker in die Körperzellen bringt. In der Muskulatur, im Gehirn und in anderen Organen wird der Zucker als Energieträger verbraucht, in der Fettzelle wird er nach biochemischem Umbau gespeichert.
Im Rahmen der Adipositas entsteht eine Insulinresistenz der Körperzellen, die bewirkt, dass mehr Insulin benötigt wird um diese Prozesse am Laufen zu halten. Damit beginnt ein Teufelskreis. Das vermehrt ausgeschüttete Insulin bewirkt Hunger (Gib mir Zucker!!!) und vermehrte Einlagerung des umgebauten Zuckers ins Fettgewebe. Schließlich erschöpft sich die Bauchspeicheldrüse und produziert zu wenig Insulin. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Erkrankung des Diabetes Mellitus Typ 2.
Viele der Adipositaspatienten, die an Diabetes erkrankt sind, müssen teilweise horrende Dosen an Insulin spritzen, da die Bauchspeicheldrüse den hohen Bedarf, den der Körper aufgrund der Insulinresistenz hat, nicht decken kann.
Nach Adipositas-Operationen ist bereits nach wenigen Tagen eine massive Reduktion der Insulindosis zu bemerken. Dieser Effekt setzt lange vor einer Gewichtsreduktion ein. Es ist vermutlich der erste Effekt der Operation.
Inzwischen gibt es eine große Zahl von Studien, die sich mit diesem interessanten Phänomen beschäftigt haben. In allen diesen Studien ist die operative Therapie der konventionellen Behandlung des Diabetes Mellitus, sei es mit oralen Antidiabetika oder mit Insulin, deutlich überlegen.
Die Verbesserung des Diabetes Mellitus ist in folgenden Fällen besonders gut:
Dauer der Erkrankung weniger als 5 Jahre
Der Patient hat bisher noch kein Insulin benötigt
Der Patient ist jünger als 50 Jahre
Die Gewichtsabnahme ist ausgeprägt.
Aus diesem Grund wurde vor einigen Jahren ein vom Body-Mass-Index abgekoppeltes Indikationssystem zur Adipositas-Operation entwickelt und formuliert. Danach kann zur Therapie des Diabetes bereits ab einem BMI von > 35 kg/m2 eine Operation erwogen werden. (Dies entspricht etwa einem Mann mit der Körpergröße 180 cm und einem Gewicht von 113-114 kg)
So hat sich nach vielen Jahren, in denen die Behandlung der Volkskrankheit Diabetes Mellitus Typ 2 eine nahezu rein internistische Domäne war, die Denkweise völlig geändert. Inzwischen weiß man, dass sich manchmal die Erkrankung sogar ganz zurück bildet und die Patienten keinerlei Therapie der Zuckerkrankheit mehr benötigen. Die Lebenserwartung der operierten Adipositas-Patienten, die unter einem Diabetes leiden, steigt nach der erfolgreichen Operation deutlich.
Ganz besonders wichtig ist nach einem „metabolisch-chirurgischen Eingriff“ eine dauerhafte, sorgfältige ärztliche Überwachung der operierten Patienten notwendig. Schließlich bewirkt man mit der Verkleinerung des Magens oder einer Bypass-Operation nicht nur eine Gewichtsabnahme, sondern einen erheblichen Eingriff in das Hormonsystem des Patienten.
Lassen Sie sich beraten. Bei Ihrer Hausärztin oder -arzt, in einem Adipositaszentrum (Klinikum Wetzlar) oder bei einer Ernährungsfachkraft. Auch eine Selbsthilfegruppe kann beratend wirken. Dort sitzen Profis. Die SHG ermöglicht das unglaublich wichtige Gespräch mit anderen von der Erkrankung Betroffenen. In Wetzlar gibt es im „Kerngesund“ eine Selbsthilfegruppe, die sich über Ihren Anruf freut.
Kontakt:
bianca_hauschke@web.de
Tel: 01590-1210778
Über den Autor

Ehemaliger Leitender Oberarzt Allgemeine, Viszerale und Onkologische Chirurgie Klinikum Wetzlar
Ärztlicher Leiter des Adipositaszentrum