Sehstörungen bei Parkinson

FARBENBLINDHEIT

Einleitung

Das Farbensehen ist eine faszinierende Fähigkeit des menschlichen Sehsinns, die es uns erlaubt, die Welt in einer reichen Vielfalt von Farben wahrzunehmen. Diese Fähigkeit basiert auf dem Zusammenspiel von Licht und speziellen Sinneszellen in der Netzhaut des Auges – den sogenannten Zapfen. Es gibt drei Typen von Zapfen, die jeweils auf unterschiedliche Wellenlängen des Lichts reagieren: kurzwelliges Licht (blau), mittelwelliges Licht (grün) und langwelliges Licht (rot). Aus der Kombination dieser drei Signale entsteht im Gehirn unser farbiges Bild der Umwelt.

Doch nicht bei allen Menschen funktioniert dieses System gleich. Bei Personen mit einer Farbenblindheit – genauer gesagt einer Farbsehstörung – ist die Funktion eines oder mehrerer Zapfentypen beeinträchtigt. Die häufigste Form ist die Rot-Grün-Schwäche, bei der die Unterscheidung zwischen rötlichen und grünlichen Farbtönen erschwert ist. Sehr viel seltener ist eine Blau-Gelb-Schwäche und in ganz seltenen Fällen fehlt die Fähigkeit, Farben überhaupt zu erkennen (Achromatopsie). Die Ursachen können genetisch bedingt sein, aber auch durch Krankheiten, Verletzungen oder altersbedingte Veränderungen entstehen.

Eine Farbenblindheit stellt im Alltag für viele Betroffene eine Herausforderung dar – etwa im Straßenverkehr, beim Beruf oder in der Freizeit – und wird oft erst durch spezielle Tests erkannt. Moderne Hilfsmittel, wie farbfilternde Brillen oder digitale Bildverarbeitung, können jedoch helfen, Farben besser zu unterscheiden und den Alltag zu erleichtern.

Gestörtes FARBENSEHEN bei Parkinson

Gestörtes Farbensehen (Farbenblindheit, Farbwahrnehmung, Farbdiskriminierung) bei Parkinson-Patienten ist ein relativ häufiges, aber oft übersehenes Symptom. Es gehört zu den sogenannten nicht-motorischen Symptomen der Parkinson-Krankheit.

Empfohlene (unterhaltsame) Literatur: Die Insel der Farbenblinden von Oliver Sacks

Oliver Sacks (geboren 1933 in London, verstorben 2015 in New York City) war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Columbia University. Er wurde durch die Publikation seiner Fallgeschichten weltberühmt. Interessant für Parkinson-Betroffene ist auch sein Buch „Zeit des Erwachens“ (Awakenings). Es erzählt anhand eines Betroffenen die Geschichte der L-Dopa-Therapie. Das Buch wurde 1990 verfilmt mit Robert De Niro und Robin Williams in den Hauptrollen (Patient, Arzt).

DIAGNOSTIK

Neben der Anamnese ist ein Sehtest beim Augenarzt mit Farbsinnprüfung (z. B. Ishihara-Test, Farnsworth-Test) hilfreich, um die genaue Art der Farbsehstörung festzustellen und die passende Filterbrille auszuwählen.

URSACHE bei Parkinson

Die Ursache für gestörtes Farbensehen bei Parkinson ist komplex, kann aber im Wesentlichen auf folgende Faktoren zurückgeführt werden:

Dopaminmangel in der Retina: Die Retina (Netzhaut) enthält dopaminerge Zellen, die für die Verarbeitung von Lichtreizen und Farben wichtig sind. Bei Parkinson ist nicht nur das Gehirn, sondern auch die Retina vom Dopaminmangel betroffen. Dadurch kommt es zu einer gestörten Signalverarbeitung, was die Farbwahrnehmung beeinträchtigen kann.

Neurodegeneration im zentralen Nervensystem: Parkinson führt allgemein zu einem Abbau von dopaminergen Nervenzellen im Gehirn, insbesondere in der Schwarzen Substanz. Auch visuelle Verarbeitungszentren im Gehirn können betroffen sein, was die Verarbeitung von Farbinformationen weiter stört.

Medikamentöse Einflüsse: Einige Parkinson-Medikamente (z. B. Levodopa) können das Farbensehen beeinflussen – sowohl positiv (Verbesserung durch Dopaminzufuhr) als auch negativ (Nebenwirkungen).

Alter und Begleiterkrankungen: Bei älteren Parkinson-Patienten können altersbedingte Sehstörungen, z. B. durch eine Makuladegeneration, grünen oder grauen Star zusätzlich das Farbsehen beeinträchtigen.

Besonders betroffen: Studien zeigen, dass bei Parkinson besonders das Blau-Gelb-Sehen betroffen ist, weniger das Rot-Grün-Sehen.

BEDEUTUNG

Wichtig ist dies für noch berufstätige Betroffene, da in manchen Berufen ein einwandfreies Farbensehen vorausgesetzt wird, Menschen mit Farbsehschwäche oder Farbenblindheit dürfen diese nicht ausüben, u.a. zählen dazu Polizisten, aber auch Piloten oder Fluglotsen. Hilfe wird u.a. angeboten durch Brillen für Farbenblinde oder für bestimmte Farbsehstörungen, z.B. Blau-Gelb-Schwäche.

Auch in der medizinischen Parkinson-Rehabilitation werden Farben verwendet, zum Beispiel gibt es Laserpointer mit grünem oder rotem Laserstrahl zur Therapie bei Freezing beim Gehen. Auf einigen Laufbändern werden auf dem Laufband optische Reize angeboten usw. Das Erkennen von Farben hat also durchaus auch eine praktische Bedeutung im Alltag.

Studie mit Parkinson-Patienten

In einer Studie mit 18 Parkinson-Patienten wurde die Farbwahrnehmung mit dem 100-Farbton-Test (Farnsworth-Munsell-100-Hue-Test (FMT)) gemessen. Er findet Anwendung bei der Bestimmung der Farbsehtauglichkeit oder Farbfehlsichtigkeit beim Augenarzt. Für klinische Zwecke wäre auch der FMT-15 ausreichend oder für bestimmte Farbschwächen die o.g. Ishihara-Farbtafeln.

In dieser Studie wurde die Zunahme des gestörten Farbensehens in Beziehung zum Fortschreiten der klinischen Beeinträchtigungen gesetzt. Diese wurden wie immer mit der Unified Parkinson's Disease Rating Scale (UPDRS) gemessen. Die Zunahme der FMT-Fehlerwerte im dreijährigen Studienzeitraum korrelierte signifikant mit den Verschlechterungen des klinischen Bildes nach UPDRS-Summenscore und dem Subscore für die Aktivitäten des täglichen Lebens.

Nach Einnahme von L-Dopa verbesserte sich in einer Studie die Farbunterscheidung bei Parkinson-Patienten deutlich, allerdings gab es keine unterschiedliche Wirkung auf die Blau-Gelb- oder Rot-Grün-Achse des Farbensehens. Dies wurde auch für Apomorphin untersucht und bestätigt.

Es lässt sich jedoch daraus eindeutig schließen, dass der Dopaminmangel bei der Parkinson-Krankheit nicht nur auf die Basalganglien beschränkt ist, sondern auch das visuelle System betroffen ist.

Therapie

Die Therapie von Farbsehstörungen bei Parkinson ist derzeit leider noch begrenzt, da das gestörte Farbsehen ein Folgesymptom der Grunderkrankung ist – also der neurodegenerativen Prozesse und des Dopaminmangels. Dennoch gibt es einige Ansätze und unterstützende Maßnahmen, die helfen können:

Optimierung der Parkinson-Therapie

  • Levodopa (L-Dopa) und andere dopaminerge Medikamente können in manchen Fällen auch die Netzhautfunktion und damit das Farbsehen verbessern, z.B. Apomorphin.

Hilfsmittel und Kompensation

  • Kontrastverstärkende Brillen oder Filtergläser können helfen, Farben und Kontraste besser wahrzunehmen. Diese Brillen verstärken Kontraste und machen Details besser sichtbar – besonders hilfreich bei Lichtempfindlichkeit oder schlechtem Farbsehen. Gelbe, orange oder braune Filtergläser werden oft eingesetzt, um den Blauanteil im Licht zu filtern und Kontraste zu erhöhen. Vorteil: Kann auch die Blendempfindlichkeit reduzieren, die bei Parkinson häufig ist. Anbieter: z. B. Eschenbach, Zeiss, Schweizer Optik.

Farbfilter für spezifische Farbstörungen

  • Für Blau-Gelb-Sehschwäche, die bei Parkinson häufig ist, gibt es spezielle Filter, die den betroffenen Farbbereich verstärken. Diese Filter sind individuell anpassbar – z. B. durch eine augenärztliche / optometrische Farbanalyse.
  • Hinweis: Diese Filter verbessern das subjektive Farbempfinden, können aber nicht die ursprüngliche Farbwahrnehmung „reparieren“.

Vergrößerungshilfen (Lupen, Lesegeräte)

  • Bei Sehproblemen (auch durch Farbsehstörung) helfen elektronische Lupen oder Lesegeräte mit Farbanpassung.
  • Moderne Geräte bieten Funktionen wie Farbfilter, Kontrastverstärkung, Invertierung (weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund) – besonders angenehm bei Lichtempfindlichkeit.
  • Auch Tablets mit entsprechender App-Funktion (z. B. Zoom + Kontrast) sind praktikabel.

Lichtquellen mit hoher Farbwiedergabe

  • Gute Beleuchtung ist extrem wichtig. LED-Lampen mit hoher Farbwiedergabe verbessern Farbwahrnehmung und Sehkomfort.
  • Tageslichtlampen können die Umgebungswahrnehmung erleichtern, besonders bei gedämpftem oder künstlichem Licht.

Spezialoptiker und Low-Vision-Zentren

  • Erstellen maßgeschneiderte Lösungen – z. B. individuell gefärbte Gläser, Sehhilfen, Sehtraining.
  • Low-Vision-Optiker oder spezialisierte Augenärzte analysieren genau, welche Brille/Hilfe für die Art von Sehschwäche am besten geeignet ist.
  • Teilweise werden Kosten von der Krankenkasse übernommen, insbesondere bei starker Sehbehinderung.
  • Vergrößerungshilfen, spezielle Beleuchtung (z. B. mit LED-Lampen mit hoher Farbwiedergabe) können visuelle Reize besser wahrnehmbar machen.
  • Alltagshilfen, bei denen Farben durch Formen, Symbole oder Text unterstützt werden (z. B. farbunabhängige Markierungen) helfen bei der Orientierung.

Augenärztliche Mitbehandlung

  • Ein Besuch beim Augenarzt ist wichtig, um andere behandelbare Ursachen von Sehproblemen auszuschließen (z. B. Grauer Star, Makuladegeneration).

4. Nahrungsergänzungsmittel

  • Manche Patienten profitieren von antioxidativen Nahrungsergänzungsmitteln (z. B. Lutein, Zeaxanthin), die die Netzhaut unterstützen – hier ist die Studienlage aber noch uneinheitlich. Eine Beratung durch den Augenarzt sollte vor Einnahme eingeholt werden.

5. Neurooptometrisches Training

  • Spezialisierte Sehtrainingsprogramme können bei manchen Patienten helfen, visuelle Verarbeitung zu verbessern, auch wenn dies nicht speziell auf Farben ausgerichtet ist.
  • Unser neues Sehtraining bietet deshalb die Möglichkeit, eine geeignete Farbauswahl zu treffen.

Fazit:

Eine direkte „Heilung“ der Farbsehstörung gibt es aktuell nicht, aber eine individuelle Anpassung der Parkinson-Therapie, unterstützende optische Hilfsmittel und eine interdisziplinäre Betreuung (Neurologie + Augenheilkunde) können zu einer Linderung dieser Störung beitragen und damit die Lebensqualität deutlich verbessern.

 

Quellen bei Autoren einsehbar:

 

 

Über den Autor

Dr. med. Ilona Csoti
Dr. med. Ilona Csoti
Ärztliche Direktorin
Gertrudisklinik Biskirchen

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