
Schenken und vererben mit warmer Hand - Macht das Sinn?
Rechtliche und steuerliche Vor- und Nachteile
Erst sterben, dann Erben.
Das ist der zentrale Grundsatz, wenn es ums Vererben geht. Trotzdem stellt sich oft die Frage, ob es sinnvoll ist das eigene Vermögen bereits zu Lebzeiten ganz oder teilweise weiterzugeben. Das sogenannte „Schenken mit warmer Hand“ - also die Übertragung zu Lebzeiten - kann viele Vorteile haben, birgt aber auch Risiken. Entscheidend sind die persönlichen Lebensumstände. Die vorweggenommene Erbfolge ist nicht immer sinnvoll oder notwendig. Welche Aspekte sind beim Für und Wider zu bedenken?
Für eine Übertragung zu Lebzeiten können viele gute Gründe sprechen.
Die Eltern können bei einer Schenkung z. B. genau festlegen, wer was bekommt und zu welchen Bedingungen. Beispiel: Die Eltern übertagen einem Kind ihr Haus und behalten sich das Wohnrecht vor. So ist klar geregelt, dass das Kind bereits Eigentümer ist, die Eltern aber weiterhin lebenslang in der Immobilie wohnen dürfen.
Vermeidung von Erbstreitigkeiten: Durch lebzeitige Übertragungen lässt sich die Nachfolge klar und transparent gestalten. Beispiel: Eltern mit zwei Kindern schenken jedem Kind zu Lebzeiten je eine Immobilie. Damit vermeiden sie Streit darüber, wer später welche Immobilie erbt.
Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen: Lebzeitige Schenkungen können Pflichtteilsansprüche reduzieren. Zwar sind Schenkungen bei etwaigen Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu berücksichtigen. Allerdings reduziert sich die Anrechnung nach den Regelungen des Gesetzes mit jedem Jahr seit der Schenkung um 10 %. Nach zehn Jahren fällt die Schenkung komplett heraus. So können Ansprüche von unliebsamen Pflichtteilsberechtigten reduziert werden, also z. B. Kindern, die auf die schiefe Bahn geraten sind oder zu denen kein Kontakt mehr besteht. Beispiel: Ein Elternteil schenkt einem Kind 100.000 €. Stirbt er fünf Jahre später, müssen die anderen Kinder noch 50 % der Schenkung in die Pflichtteilsberechnung einbeziehen - also 50.000 €. Aber Achtung: Die Reduzierung der Ansprüche findet nicht statt, wenn sich die Schenker Rechte wie z. B ein Wohnrecht oder Nießbrauch vorbehalten.
Ein großer Vorteil von Schenkungen zu Lebzeiten ist die mehrfache Ausnutzung von steuerlichen Freibeträgen. Jeder Angehörige hat einen persönlichen Freibetrag, der alle zehn Jahre erneut genutzt werden kann. Diese sehen derzeit wie folgt aus:
Ehegatten: 500.000 €
Kinder: 400.000 €
Enkel: 200.000 €
Weitere Verwandte: 20.000 €
Beispiel: Ein Ehepaar hat ein Haus im Wert von 800.000 €. Bei einer Übertragung an ein Kind zu Lebzeiten, kann das Kind jeweils seinen Freibetrag von 400.000 € nutzen. Es fällt keine Schenkungssteuer.
Weiterer Vorteil ist, dass bei einer frühzeitigen Übertragung von Immobilien oder Unternehmensanteilen, künftige Wertsteigerungen steuerfrei sind. Beispiel: Ein Elternteil schenkt seinem Kind eine Immobilie im Wert von 400.000 €. Zehn Jahre später ist diese 600.000 wert. Ergebnis: die Wertsteigerung beim Kind bleibt steuerfrei.
Gestaffelte Schenkungen über mehrere Jahre können dazu beitragen, dass Vermögen nicht auf einmal übergeht und so keine hohen Steuersätze ausgelöst werden.
Zu bedenken ist allerdings:
Geschenkt ist geschenkt - Verlust der Verfügungsmacht: Nach der Schenkung gehört das Vermögen endgültig dem Beschenkten. Ohne klare Vorbehalte ist der Schenkende in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt. Das Vermögen ist weg. Beispiel: Die Eltern übertragen ihre Wohnimmobilie. Ein Verkauf und die Anschaffung z. B. einer Pflegeimmobilie ist durch die Eltern nicht mehr möglich.
Rückgriff durch den Sozialhilfeträger: Falls der Schenkende später pflegebedürftig wird und die Pflegekosten nicht selbst tragen kann, können verschenkte Vermögenswerte innerhalb von zehn Jahren zurückgefordert werden. Sind die zehn Jahre allerdings abgelaufen, ist das verschenkte Vermögen vor dem Zugriff des Staats gesichert.
In der Praxis finden sich häufig folgende Gestaltungen:
Immobilienübertragung mit Nießbrauch: Eltern übertragen das Haus auf die Kinder, sichern sich jedoch lebenslangen Nießbrauch. Vorteil: Steuerfreier Übergang innerhalb der Freibeträge, Eltern behalten Mieteinnahmen.
Immobilienübertragung mit Wohnrecht: Eltern übertragen das Haus auf die Kinder, sichern sich jedoch das lebenslange Wohnrecht. Vorteil: Steuerfreier Übergang innerhalb der Freibeträge, nach zehn Jahren kann das Sozialamt nicht mehr auf das Haus zugreifen, falls die Rente für die Pflege nicht ausreicht.
Gestaffelte Geldschenkungen: Großeltern übertragen ihrem Enkelkind alle zehn Jahre 200.000 €. So kann der Enkel über 30 Jahre hinweg 600.000 € steuerfrei erhalten.
Sicherheit durch Rückforderungsrechte: Oft werden im Schenkungsvertrag Rückforderungsklauseln vereinbart, etwa für den Fall, dass beim Beschenkten etwas schief geht, z. B. Insolvenz, der Beschenkte vor dem Schenkenden verstirbt oder der Beschenkte sich scheiden lässt. Damit wird verhindert, dass das Vermögen ungewollt an Dritte fällt.
Zusammenfassung:
Lebzeitige und frühzeitigen Vermögensübertragungen sind ein wirksames Instrument, um Vermögen steueroptimiert und klar geregelt auf die nächste Generation zu übertragen. Es erlaubt die - mehrfache - Nutzung von Freibeträgen, vermeidet Erbstreitigkeiten und sichert die Familie ab. Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass man nach der Schenkung nicht mehr allein entscheiden kann. Das Vermögen ist weg.
Eine Schenkung sollte daher stets gut geplant und rechtlich wie steuerlich geprüft werden. Eine Beratung durch Notar und Steuerberater ist dringend zu empfehlen.

