Wehgetan? – (k)ein Pflaster drauf!

Das kennen wir alle: einen Moment nicht aufgepasst, die Füße blöd gesetzt, kurz geflogen – und das Knie aufgeschlagen. Wie gut, wenn dann jemand kommt und tröstet! Wie beruhigend, wenn es außerdem ein Pflaster gibt und man die grässliche Wunde nicht zu sehen braucht. Und wenn gleichzeitig alle anderen sehen: Hier ist etwas passiert! Und dann auch noch fragen und man selbst erzählen darf. Dann ... ja dann ist eine Verletzung doch gleich viel weniger schlimm! Bilderbücher erzählen vom Wehtun, vom Pflaster und vom Schorf und nehmen dem Schmerz mit viel Humor den Schrecken!

Für die Allerkleinsten kommt „Benno Bibers Rettungskoffer“ in jeder Notlage wie gerufen! In Christine Kuglers großformatigem Pappbilderbuch möchte der freundliche Biber eigentlich nur eine Wanderung in den Bergen machen, aber immer wieder wird seine Tour unterbrochen: Ein Bär stürzt von einem Felsen, der Ziege fällt ein Stein auf den Kopf, der Hase fällt aufs Knie ... Benno hat für alle das Passende in seinem Notfallkoffer; die Tiere sind schnell getröstet. Auch Kinder fühlen sich gut, wenn man ihnen dieses stabile, mit spannenden Schiebern, Spürrillen und Klappen versehene Bilderbuch vorliest – und sie lernen dabei, wie gut es sein kann, ein Notfallset dabei zu haben!

„Aua!“ brüllt der Löwe und klagt laut, dass ihn die Maus getreten habe. Die huscht schnell davon – das war doch keine Absicht! Doch alle anderen Tiere eilen herbei und wissen alle am besten, was in einem solchen Fall zu tun ist: der Elefant pustet, der Tintenfisch umarmt, das Lama macht Spucke auf die Löwenpfote und die Spinne webt einen wunderbaren Verband. Aber das Klagegebrüll wird nicht weniger, der Löwe leidet unendlich und nichts will helfen. Erst als die Maus mit ihrem Arztköfferchen kommt, sich entschuldigt und ein Pflaster auf den Schwanz klebt – denn über den war sie gestolpert und da tut es eigentlich weh! – , ist alles wieder gut. Karsten Teichs Pappbilderbuch eignet sich wunderbar zum theatralischen Vorlesen und bringt dabei Kleine und Große zum Kichern – an wehe Pfoten denkt man da nicht lange! Wunderbares Buch!

Viel Aufmerksamkeit erfährt auch das Kind in Emma AdBåges Bilderbuch „Die schönste Wunde“. Nach dem Sturz von der Tischtennisplatte eilen alle, aber auch wirklich alle (!) herbei, um sich das blutende Knie anzusehen. Die Verletzung ist die größte Sensation seit langem, und das Kind freut sich sehr, als es ein riesengroßes Pflaster aufs Knie bekommt und die Wunde fortan alle Themen im Unterricht beherrscht. Wir erleben staunend mit, wie das Kind von seinen Freunden nicht nur getragen wird, sondern dass sie auch seine Stifte anspitzen (obwohl man dafür ja nun wirklich kein Knie braucht!), und wir verfolgen fasziniert, wie das Pflaster irgendwann weicht und nun die Kruste auf dem Knie zur großen Sensation gerät. Aber – ach! – die schönste Wunde verheilt allmählich, die Kruste wird kleiner und löst sich ausgerechnet im Schwimmunterricht ganz vom Knie, um braun und leise auf den Grund des Beckens zu trudeln ... Nach einem Moment der Bestürzung merkt das Kind, dass das Leben weitergeht, auch ohne Wunde, ohne Pflaster, ohne Kruste – dafür mit einer wunderbar hellrosa Narbe! Emma Adbåges Humor passt perfekt zu ihren herrlich schrägen Bildern, aus denen das Rot der Wunde so schön dramatisch herausleuchtet. Großartig!

Auch das rothaarige Mädchen in Beatrice Alemagnas Bilderbuch „Mein Sommer mit Pepper“ schlägt sich das Knie auf und bekommt einen dicken Schorf auf der Wunde. So riesig ist er, dass sie ihm einen Namen gibt. Und weil er so lange auf ihrem Knie klebt, fängt sie irgendwann an, sich mit ihm zu unterhalten ... Pepper begleitet das Mädchen durch den ganzen Sommer, bevor er irgendwann kleiner wird und abfällt. Für einen kurzen Moment tut diese Trennung weh; Pepper ist fast so etwas wie ein guter Freund geworden. Aber gleichzeitig ist die Erinnerung daran, wie das Mädchen ihn bekam und dabei „weinte wie ein Baby“ auch ein Zeichen dafür, dass es größer und erwachsener geworden ist in diesem Sommer.

Wem lustige Bilderbücher über Wunden und das Verheilen nicht reichen, der wird in Johannes Vogts und Felicitas Horstschäfers Kinderbuch „Aua! Ein Buch über den Körper, Verletzungen und Gesundwerden“ Antworten auf viele Fragen finden: es geht um verschiedene Arten von Wunden, Knochenbrüche, Verstauchungen und erwarteten und unerwarteten Zahnverlust! In vielen kleinen, gut zu lesenden Textfeldern wird erzählt, was bei einer Verletzung passiert, was man tun kann, um sofort zu helfen und in welchen Etappen es hinterher zur Heilung kommt. Ob Sonnenbrand, Gehirnerschütterung oder blaues Auge – jede schmerzhafte kleine Katastrophe wird in comicartigen Zeichnungen eingefangen und anschaulich erklärt - ein tolles Buch für kleine Nachwuchsärzte und solche, die es werden wollen!

 

„Aua!“ ist auch der Titel des umwerfenden kleinen Büchleins aus der Feder von Starautor und Kolumnist Axel Hacke, der damit zeigt, dass nicht nur Kinder den Trost aus Büchern brauchen, sondern auch Erwachsene. Unter dem Untertitel „Die Geschichte meines Körpers“ geht er kapitelweise seine diversen Extremitäten durch und berichtet neben sehr groß verarzteten Schnittwunden im Zeigefinger und gezogenen Zähnen auch vom Rippenbruch beim Meditieren, von Tinnitus und Knorpelschäden und diversen anderen Wehwehchen. Wie herrlich können wir uns wiederfinden bei all den kleineren und größeren Malheurs und Blessuren, und spätestens wenn er treuherzig von seinen Gedächtnisproblemen und der galoppierend auftretenden Namensvergesslichkeit berichtet, brauchen wir Taschentücher für unsere Lachtränen. Es klingt aber immer auch ein bisschen Wehmut durch, denn Krankheit kann auch Tod bedeuten – so ist „Aua!“ insgesamt ein sehr authentisches, für uns alle passendes kleines Buch, heiter, rührend und ganz und gar lesenswert!

Über den Autor

Maren Bonacker
Maren Bonacker
Lese- und Literaturpädagogin
Phantastische Bibliothek Wetzlar

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