Karpaltunnelsyndrom und taube Finger
Fahrradfahren
Der Sommer ist da und die Temperaturen steigen an. Es ist Zeit das Fahrrad wieder aus dem Winterschlaf zu holen. Zwar ist es nicht aufgepumpt, sieht aber dennoch ganz gut aus. Der Drahtesel schont die Umwelt, beugt dem eigenen Bewegungsmangel vor und ist absolut „angesagt“. Am Besten das Fahrrad noch professionell checken lassen und los geht´s. Fast 80% der Deutschen haben ein Fahrrad. Für viele Menschen ist im E-Bike-Zeitalter die ausgedehnte Fahrradtour mit Freunden erst wieder möglich geworden. Denn jeder kann entsprechend seiner Fitness Touren fahren. Den Fahrtwind spüren, sich radfahrend durch die Natur bewegen, die Landschaft genießen macht Spaß und befreit. Kein Stau und schnell am Ziel ohne lästige Parkplatzsuche. Fahrradfahren wird manchmal als Stress-Senker, Arthroseschutz und krankheitsverhindernd deklariert, es bringt auf alle Fälle den Körper in Schwung. Wäre da nicht dieses merkwürdige Gefühl in den Händen.
Ameisenkribbeln
Es kribbelt als wäre eine Horde Ameisen in den Fingern und im Handgelenk unterwegs. Das Gefühl, als ob die Finger einschlafen kann sich bis hin zum Taubheitsgefühl entwickeln. Radfahrgenuss wird dann leider zum Frust und zur Qual. Die Schmerzen in der Hand und den Fingern können weiter zunehmen, bis hin zur sogenannten Radfahrerlähmung (die eigentlich keine ist), bei der die Hände zeitweise überhaupt nicht mehr spürbar sind. Für Menschen mit Mountainbikes sind meistens die Lenkervibrationen für die Beschwerden verantwortlich, da das Körpergewicht weit nach hinten verlagert ist. Radfahrer (insbesondere Rennradfahrer) haben aufgrund der nach vorne gelagerten Körperhaltung mehr Druck und Gewicht auf den Handgelenken und diese schmerzen dann.
Die Hand
Im Alltag sind unsere Hände stetig in Funktion. Sie sind Alleskönner, denn je nach Bedarf können sie sanft tasten, feste zupacken, filigran arbeiten oder schnell und kräftig reagieren. Möglich macht das der geniale anatomische Aufbau unserer Hand. Diese besteht aus 27 Knochen, 36 Gelenken und 33 Muskeln. In der Handinnenseite liegen zwei nervale Hauptleitungen. Der Ulnarnerv versorgt den Kleinen- und den Ringfinger, sowie der Medianusnerv, der Mittelhandnerv, welcher die sogenannten Schwurhandfinger versorgt. Diese sind dem Druck des Lenkers ziemlich ungepolstert ausgesetzt und haben über das Festhalten der Griffe eine Daueranspannung. Das sogenannte Karpaltunnelsyndrom kann sich bei dieser Belastung schon bemerkbar machen, denn rein durch die Druckerhöhung wird der Raum im Handgelenkstunnel immer enger. Weitere auslösende Faktoren sind eine oft auch überspannte Schulter-Arm-Handmuskulatur. Diese Muskelverspannungen werden durch unseren Arbeitsalltag geprägt. Die stundenlangen Sitzpositionen am Schreibtisch lassen Muskeln und Faszien gespannter und verkrampfter werden. Die Winkelhaltung der Arme, das dauerhafte Sitzen im Alltag spiegelt sich auch in der Position auf einem Fahrrad wieder und addieret sich. Die daraus resultierenden Beschwerden können sehr lästig werden.
Treten diese Symptome nicht nur beim Radfahren auf, sondern auch in Ruhe oder beim Schlafen, so wird es schulmedizinisch als Karpaltunnelsyndrom bezeichnet.
Mein Tipp:
Vermindern Sie im Vorfeld den Druck auf Ihre Handgelenke und lassen es gar nicht erst zu Überspannungen kommen. In meiner Schmerztherapiepraxis erlernen Patienten passende Übungen, um die Enge im Bereich des Karpaltunnels gar nicht erst entstehen zu lassen. Sollten Beschwerden bereits vorhanden sein, so werden die Überspannungen im Schulter-Arm-Bereich durch die Liebscher und Bracht Osteopressur „gelöscht“. Die Patienten erhalten dann ein Selbsthilfeprogramm. Jeder Mensch ist selbst verantwortlich für die eigene Haltung und Anspannungen im Schulter-Arm-Bereich. Die technische Ausstattung im Sinne von angepasstem Lenker, die Rahmengeometrie, eine veränderte Sitzposition entlasten zwar, dennoch sollten zusätzliche endgradige Dehn- und Kräftigungsübungen vor Allem im Handbereich gemacht werden. Nehmen Sie die Verantwortung in die „eigene Hand“, so werden Sie Ihr Wohlbefinden steigern. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer und dass Sie das Fahrradfahren ohne taube Finger genießen können. Ihre Petra Müller
Über den Autor
Physiotherapeutin, Heilpraktikerin
LNB Schmerztherapiepraxis Wetzlar