Organspende in Deutschland
Organspende rettet Leben.
Zur Zeit warten allein in Deutschland rund 10.000 Menschen auf ein Organ. Die Einstellung zum Thema Organspende ist in Deutschland mit 84 Prozent durchweg positiv. Auch ist die Zahl der Menschen mit Organspendeausweis gestiegen; waren es in 2012 noch 22 Prozent, sind es in 2018 schon 36 Prozent. Das zeigen erste Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). 56 Prozent der repräsentativ Befragten geben an, eine positive Entscheidung bezüglich Organspende getroffen zu haben, auch wenn nur 36 Prozent diesen Willen schriftlich bekunden. Der Hauptgrund für eine Spende ist, anderen Menschen zu helfen und dem eigenen Tod einen Sinn zu geben. Auch der Aspekt der Gegenseitigkeit ist erwähnenswert, da jeder in die Lage geraten kann, ein Spenderorgan zu benötigen.
Eine Entscheidung gegen eine Organspende wird am häufigsten mit der Annahme begründet, nicht als Spender geeignet zu sein. Angst vor Mißbrauch oder Unsicherheit bezüglich des Todes, ethisch-religiöse Gründe sowie die Unversehrtheit des Körpers sind weitere in der Befragung genannte Gründe.
Die Hälfte derer, die noch keine Entscheidung getroffen haben, begründen dies damit, dass sie sich noch nicht hinreichend damit beschäftigt hätten oder vermissen den Zugang zu ausreichenden Informationen. Häufig sind die Anlaufstellen für Informationen auch nicht bekannt. An dieser Stelle seien die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) genannt. Über die Internetpräsenz kann man sich mit Informationen und Kontaktadressen versorgen. Außerdem sind die Krankenversicherungen verpflichtet, ihre Mitglieder alle zwei Jahre über die Möglichkeit einer Organspende zu informieren.
In Deutschland ist die Organtransplantation über das Transplantationsgesetz geregelt.
Dieses ist seit 1997 in Kraft. Es regelt die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen, die nach dem Tode oder zu Lebzeiten gespendet werden. Das Gesetz sieht eine strikte organisatorische Trennung der Bereiche Organspende, Organvermittlung und Organtransplantation vor und legt damit Zuständigkeiten eindeutig fest. Für die Organspende ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) verantwortlich. Für die Vermittlung der Organspenden ist die Stiftung Eurotransplant (ET) zuständig. Diese Trennung ist dahingehend wichtig, um eine möglichst effiziente Organpassung im Bereich der Eurotransplant-Länder zu erreichen und andererseits Missbrauch zu verhindern, da die Organ-Entnahme von der Transplantation unabhängig ist.
In Deutschland ist die beauftragte Koordinierungsstelle die DSO. Sie ist für alle Schritte des Organspendeablaufs von der Mitteilung eines möglichen Spenders an die Vermittlungsstelle Eurotransplant über den Organtransport bis hin zur Übergabe der Organe an das Transplantationszentrum verantwortlich. Ebenso unterstützt sie die Krankenhäuser bei der Umsetzung ihrer Verantwortlichkeiten gemäß dem Transplantationsgesetz. Die Ermittlung eines geeigneten Empfängers erfolgt nach Meldung der Spender über Eurotransplant in den Niederlanden. Die Verteilung ist über Wartelisten geregelt.
Die Durchführung einer Spende ist genau entsprechenden Richtlinien geregelt. Unterschieden wird zwischen Entnahmekrankenhäusern und Transplantationszentren. Entnahmekrankenhäuser sind alle Krankenhäuser, die die Voraussetzungen für eine Organentnahme erfüllen (1300 in Deutschland). Für die Organisation werden Transplantationsbeauftragte bestellt. Die Transplantationszentren (50 in Deutschland) verpflanzen die gespendeten Organe.
Möglichkeiten der Organspende
Es gibt zwei Möglichkeiten der Organspende. Die postmortale Spende und die sogenannte Lebendspende.
Für eine postmortale Spende muss sichergestellt sein, dass ein nicht behebbarer, endgültiger und nachgwiesener Funktionsausfall des Gehirns besteht, der sogenannte Hirntod. Der Nachweis erfolgt über ein genau geregeltes Protokoll. Damit wird der Tod des Menschen festgestellt. Wichtig ist, dass dieser Zeitpunkt in Deutschland auch wissenschaftlich als Todeszeitpunkt angesehen wird, auch wenn die Organfunktion durch die weiter bestehende Herz-Kreislauf-Aktivität aufrecht erhalten wird. Anders wäre eine Transplantation nicht möglich, da die Organe ohne weitere Durchblutung ihre Funktion binnen kurzer Zeit verlieren und für eine Verpflanzung nicht mehr in Frage kommen.
Die Lebendspende stellt im medizinischen Sinne keinen Heileingriff dar und ist mit entsprechenden Risiken verbunden. Deshalb ist diese Form der Organspende an strenge Voraussetzungen geknüpft. Der Spender muss volljährig sein und wird ärztlicherseits auf seine Geeignetheit geprüft. Außerdem kommen nur Empfänger in Frage, die in enger Verbundenheit zum Spender stehen (z.B. Verwandte, Ehepartner). Eine Kommission begutachtet zwingend jeden Fall, um Anhaltspunkte für eine unfreiwillige Spende auszuschließen.
Voraussetzungen für eine Organspende
Die Grundvoraussetzung ist natürlich der Hirntod des Menschen. Davon abgesehen ist keine Organentnahme möglich ohne eine entsprechende Zustimmung.
In Deutschland regelt dies die sogenannte Entscheidungslösung, d.h. die zu Lebzeiten bekundete Bereitschaft, nach dem Tod Organe zu spenden. Diese Bereitschaft wird am besten durch das Ausfüllen eines Organspendeausweises bekundet, kann aber auch in einer Patientenverfügung vorgenommen werden. Rechtlich ist das ab dem 16. Lebensjahr möglich. Gibt es keine bekundete Bereitschaft zur Spende, tritt aber der Fall einer möglichen Organspende ein, wird der mutmaßliche Wille des Verstorbenen durch Befragung der nächsten Angehörigen ermittelt. Geht dieser dahingehend, dass der Verstorbene zu Lebzeiten sich z.B. positiv gegenüber einer Organspende geäußert hat, sollten die Angehörigen auch einer Entnahme zustimmen. Die Einwilligung der Angehörigen ist aber auch zwingend erforderlich. Umgekehrt ist bei Vorliegen einer schriftlichen Bekundung (Spenderausweis, Patientenverfügung) aber auch ein Widerspruch seitens der Angehörigen wirkungslos.
Rückgang der Spenderzahlen
In 2017 haben 769 Menschen in Deutschland Organe gespendet, so wenig wie noch nie. 2011 waren es noch 1200. Damit liegt Deutschland mit 9,3 Spendern pro eine Million Einwohner unter der als kritisch angenommen Grenze von 10 Spendern. Auch im Vergleich mit anderen Ländern im Eurotranplant Verbund liegt Deutschland weit hinten. Belgien kommt dagegen ebenso wie Kroatien auf mehr als 30 pro Million Einwohner, Spanien ist der langjährige weltweite Spitzenreiter und meldete für 2017 sogar 46,9 Spender pro Million Einwohner. Dabei profitieren die Menschen in Deutschland von den höheren Zahlen im Ausland, da die Organe über Eurotransplant im ganzen Verbund ohne Länderpriorisierung verteilt werden.
Die Gründe für die schlechten Zahlen in Deutschland sind unterschiedlich.
Andere Länder verwenden z.B. die Widerspruchslösung anstelle der Entscheidungslösung. D.h. wird zu Lebzeiten einer Organentnahme nicht widersprochen, kommt jeder Verstorbene potentiell als Spender in Frage. Allein hierdurch erhöht sich die Zahl in Frage kommender Spender erheblich.
Ein weiterer Aspekt liegt in den Strukturen in Deutschland. Werden potentielle Spender überhaupt entdeckt in den Kliniken? Wichtig ist hier die Aufgabe der Transplantationsbeauftragten der Entnahmekrankenhäuser, deren Position aktuell ausdrücklich gestärkt werden soll. Die Zusammenarbeit mit der DSO bezüglich der Datenauswertung ist in diesem Zusammenhang wichtig, um strukturelle Probleme zu erkennen und innerklinische Entscheidungsfindung zu stärken.
Jede medizinische Maßnahme setzt ein Maß an Vertrauen voraus. Dies gilt insbesondere für die Organtransplantation. Es handelt sich um Entscheidungen und Maßnahmen in einer besonders sensiblen Phase am Lebensende, die das gesamte Umfeld eines Patienten betrifft. Häufig handelt es sich um plötzliche Ereignisse wie Unfälle, manchmal sind Kinder betroffen. Dass hier die Eltern die Entscheidung treffen müssen, verdeutlicht die Schwere der Bewältigung einer solchen Situation.
Die vergangenen Skandale im Zusammenhang mit Organtransplantation haben definitiv zu einem Vertrauensverlust geführt - so eine Untersuchung der DSO an fast 4000 Befragten. Die Hälfte gab an, dass Manipulationsvorgänge zu einem Vertrauensverlust geführt hätten. So tragisch und verurteilenswert solche Vorgänge in einem der schwierigsten medizinischen Bereiche sind, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass entsprechende Regulationsmechanismen eingeführt oder gestärkt wurden. Zu nennen sind hier Prüfungskommission und Überwachungskommission von Spitzenverband Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), die Bundesärztekammer (BÄK) und die Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Außerdem ist eine Vertrauensstelle Transplantationsmedizin eingerichtet, die vertraulich auch anonyme Hinweise zu Auffälligkeiten entgegennimmt und überprüft. Dass der Vertrauensverlust zumindest teilweise wiederhergestellt werden konnte, zeigen die Eingangs genannten positiven Zahlen der BzgA - Befragung.
Andere Gründe sind auch unklare Vorstellungen einer Eignung, z.B. aufgrund des Alters oder bestehender Erkrankungen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass prinzipiell jeder Spender sein kann: es gibt keinerlei Einschränkung bezüglich Alter oder Vorerkrankungen. Tritt der Fall ein, wird eine letztendliche Spendereignung sowieso innerhalb des streng geregelten Verfahrens ermittelt.
Ethische oder religiöse Gründe gegen eine Spende spielen eine untergeordnete Rolle, verdeutlichen aber die derzeitige deutsche Sichtweise. Niemand soll gegen seine Überzeugung zum Spender werden. Aus diesem Grund gilt nach wie vor die beschriebene Entscheidungslösung und nicht die Widerspruchslösung.
Fazit
In Deutschland kann sich jeder frei entscheiden, ob er Organspender sein will oder nicht. Gerade aus diesem Grund ist es wesentlich, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu ausreichenden und verständlichen Informationen haben, um eine Entscheidung treffen zu können.
Jeder einzelne sollte Kenntnis davon haben, wie er seinen Willen bekunden sollte, so dass dieser rechtlich wirksam ist. Organspendeausweise sind an vielen Stellen erhältlich, z.B. über die BzgA, DSO, Krankenkassen, Bundesministerium für Gesundheit.
Das Thema Organspende sollte fortlaufend auch öffentlich diskutiert werden. Nur wenn dieses schwierige Feld transparent und ethisch fundiert abgebildet wird, kann man zu einer bestmöglichen Versorgung kommen.
Die lebensrettende Funktion der Organspende sollte jedem bewusst sein. Ein Spender, dessen Organe sämtlich transplantiert werden können, schenkt seinen Empfängern 56 Lebensjahre. Im Durchschnitt verhilft jeder Spender seine Empfängern zu 31 neuen Lebensjahren.
Interessante Internet-Links:
https://www.organspende-info.de
Über den Autor
MPH
Facharzt für Anästhesiologie, Notfallmedizin, Palliativmedizin, Public Health