Volkskrankheit Arthrose
Als Arthrosen bezeichnet man einen degenerativen und Verschleißzustand von Gelenken. Als ursächlich und Risiko für den letztlich eintretenden Knorpelschaden gelten neben dem Alter selbst das weibliche Geschlecht mit früher Menopause, eine familiäre Belastung, Übergewicht, frühere Gelenkverletzungen sowie eine mechanische Fehl- und Überlastung. Frauen sind 6- bis 8-mal häufiger betroffen, typischerweise erstmals um das 50. bis 60. Lebensjahr. Auch die Wirbelsäule kann betroffen sein. Arthrosen gelten als „Volkserkrankung“, entsprechende Röntgenzeichen finden sich bei mehr als 80 Prozent der alternden Bevölkerung. Gerade die Fingerpolyarthrose geht dabei häufig mit Arthrosen an anderen Stellen, besonders mit der Arthrose des Kniegelenkes (Gonarthrose) oder des Hüftgelenkes (Coxarthrose), einher.
Arthrosebeschwerden werden als chronisch und langsam zunehmend empfunden. Die Patienten berichten über Morgensteifigkeit und eine Anlaufproblematik. Die Schmerzen zeigen sich typischerweise bewegungs- und belastungsabhängig, wobei auch Ruheschmerzen anhalten können. Eine zuverlässige Prognose über den individuellen Verlauf kann zumeist nicht gegeben werden. Das Erkrankungsbild selbst besitzt jedoch einen sehr langsam voranschreitenden Charakter.
Das am häufigsten betroffene Gelenk im Bereich der Hände ist das Daumensattelgelenk. Von den Fingergelenken sind die Fingerendgelenke häufiger betroffen als die Fingermittelgelenke. Seltener und häufig erst bei fortgeschrittenem Krankheitsbild zeigen sich die Fingergrundgelenke oder auch die Handgelenke betroffen. Dies unterscheidet die Fingerpolyarthrose wesentlich von der rheumatoiden Arthritis – einem primär auf entzündlicher Fehlleistung des Körpers (Autoimmunerkrankung) beruhenden Erkrankungsbild. Das Verteilungsmuster unterscheidet sich bei der rheumatoiden Arthritis auch insofern, als dass die Fingergrund- und Handgelenke meist frühzeitig Beschwerden bereiten.
Eine wichtige Differentialdiagnose und häufig auch Herausforderung für den Rheumatologen stellen jedoch „überlappende“ Mischbilder aus primär degenerativen und entzündlichen Gelenkerkrankungen dar. Besonders abzugrenzen ist dabei die sogenannte „Pfropf-Arthritis“, eine Spätform der rheumatoiden Arthritis, bei welcher sich auf vorbestehende degenerative Veränderungen der Handknochen eine zusätzliche entzündliche Erkrankung „aufpfropft“. Isolierte oder vor allem die Fingergrundgelenke betreffende Beschwerden bedürfen auch einer Abklärung hinsichtlich einer Eisenspeichererkrankung (Hämochromatose), da diese im Verlauf von Jahren durch stetige Eisenüberladung zu Organschädigungen führt. Gerade die Abgrenzung der Fingerpolyarthrose zu entzündlich-rheumatischen Erkrankungen stellt einen häufigen Vorstellungsgrund beim Rheumatologen dar.
Als typisches Merkmal der Fingerpolyarthrose findet man zumeist derbe, knöcherne und paarig angelegte Gelenkschwellungen, während sich der Tastbefund klar von den eher weichen Schwellungen bei der rheumatoiden Arthritis unterscheidet. Naturgemäß spart die rheumatoide Arthritis die Fingerendgelenke aus. Dort zeigen sich bei der Fingerpolyarthrose jedoch die knöchernen Anbaureaktionen, welche dort auch als Heberden-Knoten bezeichnet werden. Mit zunehmendem Krankheitsbild treten Fehlstellungen auf, zusätzlich zu der eigentlichen funktionellen Einschränkung sowie dem ästhetischen „Makel“ der Hände. Als „aktivierte Arthrose“ bezeichnet man eine reaktiv-aktivierte Arthrose mit dann auch zunehmender Schwellung und lokaler Überwärmung - gerade nach verstärkter körperlicher Tätigkeit. Diese geht für den Patienten mit einer maßgeblichen Beeinträchtigung einher.
Im Anfangsstadium können Arthrosebeschwerden häufig über sehr lange Zeit günstig durch gelenkschonende Griffformen oder auch stabilisierende Schienen (Orthesen) überbrückt werden. Auch einfache Hilfsmittel wie beispielsweise Schraubglasöffner erleichtern dabei vieles. Der Wärmeerhalt, gerade in der kalten Jahreszeit (Handschuhe), zeigt sich wichtig. Die Bewegung selbst, auch Mobilisierung gerade der Daumenmuskulatur, stellt bei der Daumensattelgelenksarthrose (Rhizarthrose) einen erheblichen Teil der konservativen Therapie dar. Bei schmerzhafter Aktivierung erbringen symptomatisch Kühlung und Schonung neben dem Einsatz von Paracetamol oder auch bei stärkeren Beschwerden NSAR (nicht-steroidale, sprich kortisonfreie Antirheumatika) Linderung. Zu achten ist dabei jedoch darauf, dass diese Präparate nicht für jeden geeignet sind. Insbesondere bei Nierenschwäche oder bekannter Herzerkrankung sind diese Präparate häufig nicht empfehlenswert.
Gelenkpunktionen mit Einbringung wirksamer Substanzen wie etwa Kortison lindern kurzfristig das Schmerzniveau deutlich. Eine Langzeitwirkung ist jedoch eher nicht anzunehmen. Neben ergo- und physiotherapeutischen Maßnahmen kommen weitere nicht-medikamentöse Ansätze wie beispielsweise die Strahlentherapie in Form von Röntgenreizbestrahlung entsprechender Gelenke mit häufig längerfristig guten Erfolgen zur Anwendung.
Eine Umstellung der Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel können sich grundsätzlich positiv auf eine Arthrose auswirken. Neben der Gewichtsreduktion durch einen gesteigerten Konsum von Obst und Gemüse besitzen gerade Seefisch und Fette aus Olivenöl eine antientzündliche Wirkung.
Reichen stabilisierende Schienen und eine möglichst optimale Medikation nicht aus, so kommen schließlich prothetische Versorgungen durch entsprechende Handchirurgen und Orthopäden in Frage. Gerade die Trapezektomie (Entfernung des großen Vieleckbeins des Handskeletts) stellt bei der Rhizarthrose neben den häufig eingesetzten Silikonplatzhaltern oder auch anderen Oberflächenersatzprothesen bei den Arthrosen der Fingermittelgelenke eine Möglichkeit dar. Auch eine Arthrodese (Versteifung einer Gelenkregion) stellt häufig bei vergleichsweise geringen Funktionseinschränkungen gerade im Bereich der Fingerendgelenke eine dauerhafte Schmerzlinderung dar.
Über den Autor
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
Medizinische Klinik I, Klinikum Wetzlar und Praxisklinik in Mittelhessen