Yoga und Herz-Kreislauferkrankungen

Lebensumstände in modernen Industriegesellschaften, vor allem in der städtischen Bevölkerung, können anhaltende psychische

Belastungen verursachen. Zwischen 60 % und 90 % der Patientenbesuche beim Hausarzt erfolgen aufgrund stressassoziierter Beschwerden. Programme zur Stressbewältigung wie Yoga, Meditation, Qigong, progressive Muskelentspannung oder autogenes Training reduzieren die Anzahl von Praxisbesuchen bei Allgemeinmedizinern und sind dort am wirksamsten, wo der mentale Stress am größten ist.

Yoga ist eine aus Indien stammende, ganzheitliche, Körper und Geist ansprechende philosophische Lehre, die zum körperlichen, geistigen, emotionalen und spirituellen Wohlbefinden verhelfen soll. Günstige Effekte von Yoga wurden für verschiedene Gesundheitsstörungen beschrieben, bei denen chronischer Stress eine Rolle spielt: Allergien, Asthma, Angststörung, Depression, Sodbrennen, Reizdarmsyndrom, Migräne, Diabetes mellitus und auch Herz-Kreislauferkrankungen.

Kardiologische Fachgesellschaften empfehlen in der Behandlung des Bluthochdrucks die Umsetzung von Lebensstilmodifikationen, die auch die Stressreduktion durch Entspannungsverfahren einbezieht. Die Yoga-Varianten, bei denen Atemtechnik und Meditation im Vordergrund stehen, verringern den systolischen Blutdruck um 4,7 mmHg und den diastolischen Blutdruck um 3,2 mmHg. Diese Blutdrucksenkung erscheint auf den ersten Blick zwar eher gering. Wenn jedoch bedacht wird, dass die Senkung des systolischen Blutdrucks um 3 mmHg die Sterblichkeit eines Schlaganfalls um 8 % und die der koronaren Herzkrankheit um 5 % vermindert, ist die Blutdruckreduktion durch Yoga durchaus relevant.

Diabetiker, die regelmäßig Yoga betreiben, können ihre Blutzuckerwerte verbessern und die Anzahl der erforderlichen Zuckermedikamente vermindern.

Psychosozialer Stress ist ein starker Risikofaktor für Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes mellitus und Herz-Kreislaufsterblichkeit. Yoga vermindert die Empfindlichkeit des Herz-Kreislauf-Systems gegenüber Stress bzw. verkürzt die Erholungszeit nach Stresseinwirkung. Regelmäßige Yoga-Übungen vermindern aber auch das Stressempfinden selbst. Psychosozialer Stress aktiviert die Blutgerinnung und erhöht dadurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch dieser Entwicklung wirkt Yoga durch eine Abnahme von Gerinnungsfaktoren entgegen.

Selbst bei Herzrhythmusstörungen konnte Yoga seine gesundheitsförderlichen Wirkungen unter Beweis stellen. So konnte die Anwendung der meditativen Formen von Yoga die Anzahl von Vorhofflimmerepisoden sowie das Auftreten von Angst und Depressivität vermindern und die Lebensqualität erhöhen. Zudem führten Yoga-Übungen bei Patienten mit Defibrillator sowohl zu einer Abnahme der Anzahl von Schockabgaben als auch der Angst vor Schocktherapien.

Es gibt keine Berichte über relevante unerwünschte Wirkungen von Yoga. Die Methode ist eine kostengünstige Ergänzung zu den Standard-Therapien in der Herz-Kreislaufmedizin. Beim Yoga geht es allerdings nicht darum, sich behandeln zu lassen, sondern selbst aktiv zu werden.

Zusammenfassend gehört Yoga mittlerweile zu den am besten untersuchten Methoden der Komplementär-/Alternativmedizin und sollte aufgrund der nachgewiesenen günstigen Beeinflussung von Herz-Kreislauferkrankungen bei fehlenden Nebenwirkungen vermehrt als therapeutischer Baustein berücksichtigt werden.

Über den Autor

Prof. Dr. med. Martin Brück
Prof. Dr. med. Martin Brück
Chefarzt der Medizinischen Klinik I
Klinikum Wetzlar

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