Hallux valgus

Wenn die Großzehe immer mehr abweicht!

Der Hallux valgus oder auch landläufig „Ballenzehe“ oder „schiefer Zeh“ genannt, ist eine Fehlstellung der Großzehe mit einer Achsenabweichung nach außen (Valgus). Der erste Mittelfußknochen weicht nach innen aus, wodurch es zur Verbreitung des Winkels zwischen 1. und 2. Mittelfußknochens kommt. Die Sesambeine weichen nach außen und liegen dann nicht mehr direkt unter dem 1. Mittelfußköpfchen, welches dann immer weiter nach innen wandert und als „Ballen“ sichtbar wird und Druckschmerzen im Schuh verursachen kann. Einhergehend verkürzen sich die Weichteilstrukturen wie Gelenkkapsel und Sehnen auf der Außenseite und die Weichteile auf der Innenseite vom Großzehengrundgelenk werden überdehnt. Damit wird die Fehlstellung immer weiter verstärkt.

Woher kommt der Hallux valgus?

Er ist eine erworbene Deformität, meist besteht eine familiäre Disposition, dabei sind Frauen häufiger als Männer betroffen. Patienten mit Hallux valgus haben häufig zusätzliche Fußdeformitäten wie Spreizfuß oder Knickfuß. Enge und hohe Schuhe wirken als verstärkende Faktoren. Außerdem kann der Hallux valgus nach einem Unfall oder bei chronischen Gelenkentzündungen (z.B. Rheuma) entstehen. Auch bei manchen neurologischen Erkrankungen kommt es zur Hallux valgus-Fehlstellung. 


Wie äußert sich der Hallux valgus?

Patienten mit Hallux valgus berichten oft, dass bei Eltern oder Großeltern dieselbe Fehlstellung besteht. Im Schuh können Druckschmerzen vorhanden sein, am Großzehenballen auch eine gerötete Druckstelle.
Nach längerem Stehen und Gehen kann es zu Belastungsschmerzen kommen, andere Fehlstellungen der Kleinzehen wie Hammerzehen können sich zusätzlich bilden. Auch an der Fußsohle in der Mitte des Fußballens kann es zu schmerzhaften Schwielen kommen.

Welche Diagnostik ist wichtig?

Nach einer klinischen Untersuchung, bei der das Gangbild (barfuß!) sowie die Gelenkfunktion und Druckschmerzhaftigkeiten sowie auch die Durchblutung, Sensibilität und motorische Funktion des Fußes untersucht und beurteilt werden, ist bei ausgeprägten Fehlstellung eine Röntgenaufnahme des Fußes im Stand notwendig. Dabei werden bestimmte Winkel sowie auch der Grad der Abnutzung in den Fußgelenken beurteilt. Dies ist wichtig für die Einteilung in verschiedene Schweregrade (mild, moderat, schwer). Anhand des Schweregrades kann eine Therapieempfehlung gegeben werden. Eine Fußdruckmessung kann manchmal zusätzliche Informationen liefern.

Wie kann man behandeln?

Ziel der Therapie ist Schmerzreduktion, Korrektur der Fehlstellung und Funktionsgewinn. Bei milden Ausprägungen oder auch Patienten, bei denen ein hohes OP-Risiko oder Einschränkungen der Durchblutung oder der Nervenversorgung am Fuß bestehen, kann konservativ (nicht-operativ) behandelt werden. Das Tragen von engen, hohen Schuhen sollte vermieden werden, außerdem Einlagen getragen werden und Fußgymnastik durchgeführt werden. Dabei hat sich in den letzten Jahren auch die Therapieform der „Spiraldynamik“ als hilfreich herausgestellt. Ferner können Zehenspreizer, Schienen, Tape-Verbände oder auch Schmerzmittel (NSAR) zur Anwendung kommen.

Wenn die konservative Therapie nicht ausreicht, um ausreichend Schmerzen und Druckstellenbildung zu lindern, sollte operiert werden. Dabei gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Operationsmethoden. Grundsätzlich ist dabei zu unterscheiden zwischen gelenkerhaltenden Operationen und Operationen, bei denen das Großzehengrundgelenk entfernt wird. 
Welches OP-Verfahren angewendet wird, hängt vom Arthrosegrad des Großzehengrundgelenkes und dem Schweregrad der Fehlstellung ab.

Am häufigsten wird dabei der 1. Mittelfußknochen durchtrennt und korrigiert (Korrekturosteotomie), der knöcherne Wulst am Großzehenballen abgetragen und die Weichteile außenseitig vom Großzehengrundgelenk gelöst.

Bei fortgeschrittener Arthrose im Großzehengrundgelenk ist es oft erforderlich, eine Versteifung des Gelenkes in Korrekturstellung durchzuführen. Die früher häufig durchgeführte sogenannte „Keller-Brandes“ Operation, bei der das Gelenk entfernt wird, wird heute nur noch bei alten Patienten mit geringem Anspruch an Mobilität oder gravierenden Begleiterkrankungen angewandt. Auch existieren künstliche Gelenke für das Großzehengrundgelenk, für die jedoch bisher noch keine guten Langzeitergebnisse vorliegen. Die Operation kann je nach Verfahren ambulant oder stationär erfolgen, fast immer ist postoperativ für 6 Wochen ein sogenannter Vorfußentlastungsschuh notwendig. Wichtig ist auch die Zügelung der Zehe in den Wochen nach der Operation sowie abschwellende Maßnahmen wie Hochlagern oder ggf. Lymphdrainage. Sport kann frühestens nach 3 Monaten wieder durchgeführt werden. Die genaue Nachbehandlung richtet sich nach der Art der Operation, den knöchernen Verhältnissen und dem Operateur.

In der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Agaplesion evangelischem Krankenhaus in Gießen führen wir regelmäßig Korrekturen von Hallux valgus und begleitenden Deformitäten wie Hammerzehen oder Vorfußschmerz (Metatarsalgie) durch. Weiterhin werden auch Operationen am Rückfuß wie Korrekturen der Fersenstellung bei Knick-Senkfuß, Sehnenoperationen inklusive Eingriffen an der Achillessehne sowie auch arthroskopische Eingriffe am Sprunggelenk und Versteifungsoperationen des Rückfußes und Sprunggelenkes durchgeführt. Im angeschlossenenem Facharztzentrum werden unsere Patienten vor und nach der Operation betreut.

 

Über den Autor

Priv.-Doz. Dr. med. Iris Schleicher
Priv.-Doz. Dr. med. Iris Schleicher
Sektionsleiterin Fußchirurgie
Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin
AGAPLESION EVANGELISCHES KRANKENHAUS MITTELHESSEN

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