Nahrungsergänzungsmittel richtig verstehen

Die Lebenserwartung war in Deutschland nie so hoch wie heute. Während die Gesellschaft altert und das Renteneintrittsalter angehoben wird wächst auch der Anspruch in jeder Lebenslage und jedem Lebensalter leistungsfähig, fit und gesund zu sein. Dabei wird insbesondere die Ernährung als Gesundheitsfaktor verstanden. Parallel dazu wächst der Markt für Nahrungsergänzungsmittel - in Deutschland werden pro Jahr ca. 6000 Nahrungsergänzungsmittel angezeigt. Weltweit betrug der Umsatz etwa 122 Milliarden. US $, in Deutschland immerhin ca. 1,1 Milliarden Euro, verteilt auf ca. 165 Millionen verkaufte Packungen.

Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel

Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel. In der Praxis sind sie für Laien und oft auch für medizinisches Fachpersonal nur sehr schwer zu unterscheiden. Dennoch ist der Unterschied gravierend. Arzneimittel sind Stoffe die zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten hergestellt werden. Sie unterliegen einem strengen Recht durch das Arzneimittelgesetz, werden auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit geprüft und müssen ein Zulassungsverfahren durchlaufen.

Bei Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich rechtlich gesehen um Lebensmittel. Folglich werden sie nicht durch das Arzneimittelrecht überwacht oder geprüft. Sie unterliegen dem allgemeinen Lebensmittelrecht. Dass nicht alle Lebensmittel deren Vermarktung erlaubt ist auch unserer Gesundheit dienen, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Nahrungsergänzungsmittel sollen die normale Ernährung ergänzen. Sie richten sich an gesunde Verbraucher und dienen nicht der Behandlung von Erkrankungen.

Was enthalten Nahrungsergänzungsmittel

Häufiger Inhalt von Nahrungsergänzungsmitteln sind Nährstoffe, Mineralstoffe, Spurenelemente, vitaminähnliche Substanzen, Fettsäuren, Aminosäuren, Ballaststoffe oder pflanzliche Inhaltsstoffe. Die Stoffe sind in der Regel in konzentrierter Form enthalten, wodurch der Körper unter Umständen wesentlich höhere Mengen der enthaltenen Substanzen aufnimmt, als dies mit der normalen Ernährung möglich wäre.

Wie nützlich sind hohe Konzentrationen von "Ergänzungsstoffen"

Der Nutzen sehr hoher Mengen der o.g. Stoffe ist umstritten. Abhängig vom Inhaltstoff und Gesundheitszustand des Anwenders sind auch schwere gesundheitsschädliche Wirkungen möglich.

Dem gegenüber stehen gelegentlich unrealistische Versprechen. Beispielsweise vermarktete Dr. Matthias Rath in den 90er Jahren ein Vitaminpräparat, das mit der Heilung von Krebsleiden warb. Das von Rath propagierte Heilverfahren hat sich in wissenschaftlichen Studien als wirkungslos erwiesen, was schließlich auch gerichtlich festgestellt wurde.

Einige Inhaltsstoffe von Nahrungsergänzungsmitteln haben auch eine pharmakologische Wirkung (z.B. Flavoide, Sterole, ätherische Öle) obgleich sie nicht dem Arzneimittelrecht unterliegen. Insgesamt wäre eine gesetzliche Regelung von Höchstmengen für ausgewählte Inhaltsstoffe sinnvoll. Dies ist in einer europäischen Richtline sogar vorgesehen, bisher aber nicht umgesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass hier bald nationale Regelungen folgen.

Mein Fazit:

Wer sich gesund ernährt, braucht in aller Regel keine Nahrungsergänzungsmittel. In Einzelfällen können diese insbesondere für kranke Menschen sogar schädlich sein. Im Zweifel rate ich Ihren Arzt zu befragen.

In meiner persönlichen Erfahrung habe ich nur wenige Fälle gesehen, bei denen Nahrungsergänzungsmittel geschadet haben. Einige davon waren jedoch lebensbedrohlich, z.B. ein akutes Leberversagen nach Einnahme eines in China produzierten pflanzlichen Mittels bei einer jungen, zuvor völlig gesunden Frau.

Im Übrigen ist es sicher klug, beim Bezug von Mitteln die wir einzunehmen gedenken, auf vertrauenswürdige Quellen zu achten bezüglich Herstellung, Vertrieb und Qualität der Herstellung am Herstellungsort. Mag sein, dass dies bei Internetbestellungen nicht immer einfach ist.

 

Über den Autor

Dr. med. Roger Agne
Dr. med. Roger Agne
Chefarzt Innere Medizin
Dill-Kliniken

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe2/2024