Helicobacter pylori und seine kontroverse Bedeutung

Der Untermieter im Magen

Lange Zeit war die medizinische Forschung davon überzeugt, dass in dem extrem sauren Milieu des Magens keine Mikroben dauerhaft überleben können. Erst 1983 entdeckten zwei australische Wissenschaftler ein Bakterium, das quasi im menschlichen Magen beheimatet ist. Das kleine Lebewesen schützt sich vor der Säure indem es unter den Schleimhautschutz der Magenoberfläche wandert. Es hat eine Geißel, die es wie den Propeller eines Helicopters zur Fortbewegung nutzt und wurde von den Forschern auf den Namen "Helicobater pylori" getauft.

Natürlich gibt es das Bakterium nicht erst seit seiner Entdeckung. Es lebt seit mehr als 50.000 Jahren in menschlichen Mägen. Und es hat sich in dieser Zeit immer wieder neu an seinen Wirt angepasst und neue Populationen gebildet. Es gibt drei afrikanische, zwei asiatische und einen europäischen Typ und darüber hinaus viele Subtypen. Beispielsweise hat man in Nordindien zwischen Buddhisten und Muslimen unterschiedlichen Stämme nachweisen können. Selbst Völkerwanderungen lassen sich durch die Differenzierung des kleinen Bakteriums nachvollziehen und beispielsweise der Ursprung der Polynesier klären. Letztlich gibt es viele Helicobacter die sich genetisch unterscheiden und damit auch verschiedene Eigenschaften haben.

Berühmt wurde Helicobacter, weil die Wissenschaftler herausfanden, dass der Keim den Magen schädigen, Geschwüre und Entzündungen verursachen kann. Jedoch tut dies nicht jeder Helicobacter bei jedem Menschen. Die Helicobacter sind schließlich nicht alle gleich. Es sind zwei genetische Merkmale bekannt, die den Magenbewohner besonders gefährlich werden lassen, diese werden „cagA“ und „VacA“ genannt.

Helicobacter, des Menschen Feind ?

Weltweit ist ungefähr die Hälfe der Menschheit mit Helicobacter infiziert. Statistisch bekommt etwa jeder fünfte, der Helicobacter beherbergt, kleine Verletzungen in der Magenwand. Nahezu alle Geschwüre im Dünndarm entstehen durch Helicobacter und ein Prozent der Helicobacterträger bekommen Magenkrebs. Ohne den Keim ist das Risiko für Magenkrebs 40 mal geringer als mit. Auch scheinen Helicobacter-Träger ein höheres Risiko für eine Parkinsonerkrankung zu haben. Das wird damit erklärt, dass einige Helicobacter ein Gift freisetzten, dass Nervenzellen schädigen kann. Dies sind gute Gründe dem langjährigen Untermieter die Bleibe zu kündigen und ihn mit Antibiotika zu bekämpfen.

Sind Antibiotika die Lösung ?

Wollte man Helicobacter ausrotten, würde das nicht nur viele Milliarden Euro kosten, es müssten auch millionenfache Nebenwirkungen (inkl. zahlreicher Todesfälle) sowie die Entstehung neuer gefährlicher multiresistenter Keime in Kauf genommen werden. Da 80 % der Helicobacterbesitzer nicht krank sind, wäre das ein hoher Preis. Zudem war in einer großen, über 12 Jahre und mit mehr als 10.000 Probanden angelegten Studie die Gefahr an Lungenkrebs oder einem Schlaganfall zu sterben für die Probanden mit Helicobacter um die Hälfte geringer als für den Rest. Andere Untersuchungen sprechen dafür, dass Helicobacter das Risiko an Hautekzemen, Allergien und Asthma zu erkranken senkt. Dem Keim wird eine immunregulatorische Wirkung unterstellt. Entzündliche Darmkrankheiten, Autoimmunprozesse oder chronische Entzündungen könnten - so die gewagte Hypothese einiger Forscher - unter anderem deshalb ein Trend unserer Zeit sein, weil wir unwissentlich auslöschen, was uns jahrtaustendelang geschützt hat.

Und was nun?

Helicobacter ist seit Jahrtausenden ein Begleiter des Menschen. Wir wissen längst nicht alles über seine Eigenschaften - im guten wie im schlechten. Helicobacter macht nicht immer krank. Wenn er krank macht, dann haben wir es mit einer unangenehmen Vertreter zu tun und dieser muss behandelt werden. Auch Menschen die keine Beschwerden haben, sollten behandelt werden, wenn Sie ein besonderes Risiko für eine Krankheit haben, die mit Helicobacter in Verbindung steht. Dazu gehören insbesondere Menschen bei denen in der eigenen Vorgeschichte oder der Ihrer Angehörigen Magenkrebs, ein Lymphom oder Parkinson festgestellt wurden.

Ob eine Helicobacterinfektion vorliegt, läßt sich übrigens ganz leicht mit einer Magenspiegelung klären. Die Behandlung besteht aus einer 10-14tägigen Tablettenkur, die Antibiotika enthält.

Über den Autor

Dr. med. Roger Agne
Dr. med. Roger Agne
Chefarzt Innere Medizin
Dill-Kliniken

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