Opioidkrise in Deutschland –
Panikmache oder schlimme Wirklichkeit?

In den USA herrscht eine handfeste Opioidkrise. Der Missbrauch und die Todesfälle sind so hoch, dass sich sogar der amerikanische Präsident genötigt sah, Maßnahmen einzuleiten.

In Deutschland wird vereinzelt das gleiche Szenario an die Wand gemalt. In einem Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Andreas Storm, DAK-Gesundheit, wurde genau hiernach gefragt. Hier nun seine Einschätzung:

Zur Person:

Andreas Storm war von 2005 bis 2009 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung und von November 2009 bis August 2011 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Von 2011 bis 2012 arbeitete er als Chef der saarländischen Staatskanzlei und bekleidete das Amt des Ministers für Bundesangelegenheiten. Von Mai 2012 bis November 2014 war er Minister für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie – ebenfalls im Saarland. Von 1994 bis 2009 saß er im Deutschen Bundestag. Seit 1. Januar 2017 ist er Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit.

Herr Storm, es wird viel von der Opioid-Krise in den USA berichtet. Kann man die dortigen Verhältnisse auf Deutschland übertragen oder sind die deutschen Mechanismen ganz andere?

Die Opioid-Krise in den USA ist Resultat einer Verkettung verschiedener systembedingter Umstände, die so in Deutschland zum Glück nicht zu erwarten sind. Unser Gesundheitssystem funktioniert einfach anders und es funktioniert aufgrund seiner sozialen Ausrichtung besser. Auch wenn es bei der Versorgung von Schmerzpatienten bei uns regionale Unterschiede gibt, kann man grundsätzlich sagen, dass Schmerzpatienten bei uns indikationsgerecht und passend versorgt werden. Opioide werden von Ärzten in Deutschland eher sparsam eingesetzt. Zum deutschen Gesundheitswesen haben alle Bürger Zugang und es gibt in der Regel keine allzu langen Wartezeiten. Schon deshalb ist der Anreiz schlicht nicht so groß, wichtige Operationen durch Medikamente hinauszuzögern oder sich selbst Schmerzmittel auf dem Schwarzmarkt zu besorgen, weil die Operation zu teuer ist. Kassen, Ärzte und nicht zuletzt die Pharmahersteller sind hierzulande an enge Rahmenbedingungen gebunden. So gibt es ein Werbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel, dass ganz wesentlich dazu beiträgt, dass Patienten solche Medikamente beispielsweise nicht schon bei geringen Schmerzen vom Arzt einfordern. Der Arzt kann seine Therapieentscheidung frei von Druck fällen. Außerdem unterliegen derartige Medikamente dem Betäubungsmittelgesetz und müssen auf einem gesonderten Rezept verordnet werden. Diese BTM-Rezepte werden besonders dokumentiert und von Apotheken sowie Krankenkassen geprüft. Das klingt zwar nach bürokratischem Aufwand, schützt uns aber vor so drastischen Fehlentwicklungen wie in den USA. Wir vertrauen darauf, dass Ärzte in Deutschland Opioide nur verordnen, wenn sie wirklich medizinisch notwendig sind.

 

Über den Autor

Uwe Hoff
Uwe Hoff
Leiter Gesundheitspolitik
Geschäftsbereich Deutschland
Grünenthal GmbH
Aktuelle Ausgabe1/2024