Masern - ein aktuelles und immer wiederkehrendes Problem

Kein Mensch müsste heute mehr an Masern erkranken oder gar sterben. Die fast verniedlicht als Kinderkrankheit bezeichnete, hoch ansteckende Virus-Infektionskrankheit könnte längst ausgerottet sein - weltweit, vor allem in Deutschland. Es gibt Impfungen, sie sind kostenlos und jedem zugänglich. Sie sind sicher, sie schützen zuverlässig und lösen nur in äußerst seltenen Einzelfällen riskante Nebenwirkungen aus. Die Masern selbst sind hingegen gefährlich – nicht oft, aber immer wieder verläuft so eine Infektion schwer, manchmal tödlich.

„2017 kann wieder ein Jahr mit mehr Masernerkrankungen werden“, befürchtet Dr. Dorothea Matysiak-Klose, Expertin für Impfprävention am Robert Koch-Institut (RKI). In diesem Jahr (Stand: 01.03.2017) sind aus Hessen 18, aus Sachsen 27 und deutschlandweit insgesamt schon 95 Fälle beim RKI gemeldet worden. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr stark: 2016 waren es 442 Fälle, im Jahr zuvor 2464 und 2014 lediglich 324. Insgesamt aber zu viele, denn angestrebt wird die Eliminierung der Masern.

Meldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Dem Gesundheitsamt muss gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG seit 2001 bereits der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Masern sowie gemäß § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Masernvirus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet werden.

Bei Krankheitsverdacht oder Erkrankung besteht Tätigkeits- und Aufenthaltsverbot in Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Kinderkrippen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorte, Schulen oder sonstige Ausbildungseinrichtungen, außerdem Heime und Ferienlager). Sogenannte „Masernpartys“, d.h. organisierte Treffen, bei denen nicht gegen Masern geimpfte Kinder sich bei Kindern, die akut an Masern erkrankt sind, anstecken sollen, sind strafrechtlich relevant.

Infektionsweg

Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit. Das Masernvirus ist ein ausschließlich im Menschen vorkommendes, etwa 120 – 140 Nanometer großes, einzelsträngiges RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviren. Es handelt sich um eine der ansteckendsten Krankheiten. Das Masernvirus führt bereits bei kurzem Kontakt zu einer Infektion und löst bei über 95 Prozent der ungeschützten Infizierten klinischen Erscheinungen aus. Die akute Infektion ist selbstlimitierend. Die Übertragung funktioniert per Tröpfcheninfektion und wird daher etwa durch Sprechen, Husten oder Niesen – eventuell auch über mehrere Meter hinweg - sowie durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen übertragen.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Die Ansteckungsfähigkeit beginnt bereits 3 - 5 Tage bevor der Hautausschlag sichtbar wird und hält bis 4 Tage nach Auftreten des Ausschlags an. Unmittelbar vor Erscheinen des Ausschlags ist sie am größten.

Inkubationszeit, klinische Symptomatik und Krankheitsverlauf

Die Inkubationszeit verläuft ohne Symptome und beträgt 8 - 10 Tage. Danach macht sich der Ausbruch mit Entzündungen der oberen Atemwege (Husten, Schnupfen, Heiserkeit), der Bindehäute der Augen (Konjunktivitis) und der Schleimhäute samt kalkspritzerartiger, weißer bis blau-weißer Flecken auf den Wangenschleimhäuten (sog. Koplik-Flecken), bemerkbar. Der Patient fühlt sich quasi „verrotzt, verheult, verschwollen“. Hohes Fieber (bis 41 °C), Halsschmerzen und Übelkeit kommen hinzu.

Das charakteristische Masernexanthem (zuerst hellrot und im Verlauf dann tiefrot oder bräunlich-rosafarbene konfluierende Hautflecken) entsteht am 3. - 7. Tag nach Auftreten der ersten Symptome (siehe Bild). Es beginnt im Gesicht und hinter den Ohren und bleibt 4 - 7 Tage bestehen. Beim Abklingen ist oft eine kleieartige Schuppung zu beobachten. Am 5. - 7. Krankheitstag kommt es zum Temperaturabfall und die Erkrankung klingt ab. Eine Masernerkrankung hinterlässt lebenslange Immunität.

Konsequenzen und Komplikationen

Die Masernvirusinfektion bedingt eine vorübergehende Immunschwäche von mindestens 6 Wochen Dauer. Als Konsequenz kann in dieser Zeit eine erhöhte Empfänglichkeit für bakterielle Superinfektionen bestehen; am häufigsten treten Mittelohrentzündung, Kehlkopfentzündung, Bronchitis, Lungenentzündung und / oder Durchfälle bei 20 - 30 Prozent der Betroffenen auf.

Gefürchtet sind die Komplikationen. Eine besonders gefürchtete ist die akute postinfektiöse Enzephalitis (Gehirnentzündung) mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma. Sie tritt laut Robert Koch-Institut bei einem von 1000 Masernfällen (0,1 %) auf – vier bis sieben Tage nach dem Masern-typischen Hautausschlag mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma. Bei ca. 10 - 20 Prozent der Betroffenen endet sie tödlich, etwa 20 - 30 Prozent haben bleibende Schäden am zentralen Nervensystem (ZNS).

Insgesamt liegt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in entwickelten Ländern die Sterblichkeit bei der Masernvirusinfektion zwischen 0,05 und 0,1 Prozent. Das Robert Koch-Institut nennt für Deutschland eine Sterblichkeitsrate von 1:1000.

Diagnostik

Die Masernvirusinfektion weist ein klinisches Bild auf, das mit anderen Erkrankungen wie Röteln, Ringelröteln und Scharlach verwechselt werden kann. Die Labordiagnostik ist deswegen zum sicheren Nachweis der Masernerkrankung unerlässlich geworden.

Der Nachweis der virusspezifischen IgM-Antikörper im Blutserum als Kennzeichen eines aktuellen Krankheitsgeschehens stellt derzeit die schnellste und sicherste Methode dar.

Darüber hinaus sollte möglichst bei allen Fällen der Virusgenom-Nachweis per Polymerasekettenreaktion (PCR) erfolgen. Diese Methode bietet eine hohe diagnostische Sicherheit. Dafür werden vor allem Urin und „oral fluid“ (Zahntaschenabstrich, mit entsprechendem Schwämmchen gewonnen) oder Rachenabstrich verwendet, die bis zu einer Woche nach Beginn des Hautausschlags entnommen werden sollten.

Therapie

Eine zielgerichtete, spezifische antivirale Therapie, die gegen das Masernvirus gerichtet ist, existiert nicht. In der akuten Krankheitsphase soll Bettruhe eingehalten werden. Die symptomatische Therapie ist abhängig von den Organmanifestationen:

  • Abdunkeln des Zimmers

  • Wadenwickel; fiebersenkende Medikamenten (Fieberzäpfchen, Tabletten oder Saft); Hustenmittel

  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (bei hohem Fieber viel trinken und/oder Infusionen)

  • Therapie mit Antibiotika (bei bakteriellen Superinfektionen, z.B. Mittelohr- und/oder Lungenentzündung).

Präventivmaßnahmen – Impfung

Die wirksamste vorbeugende Maßnahme ist die Schutzimpfung gegen Masern. Der Impfstoff gegen Masern ist ein abgeschwächter Lebendimpfstoff. Dabei ist auf die Notwendigkeit des korrekten Umgangs bei der Lagerung, beim Transport und bei der Applikation des Impfstoffes unbedingt zu achten. Grundsätzlich wird von einer lebenslangen Immunität nach zweimaliger Impfung ausgegangen.

Die Impfung gegen Masern ist grundsätzlich mit einem Einzelimpfstoff möglich, wird jedoch in Deutschland in aller Regel als Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR-Vakzine) oder Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-Impfung (MMRV-Vakzine) mit einem Kombinationsimpfstoff durchgeführt.

Gegenanzeigen zu einer Impfung sind akute Infekte, HIV-positive und andere immungeschwächte Patienten (z. B. Kortikosteroid-Therapie, Leukämie), Schwangerschaft sowie eine Gelatineallergie oder ein Abfall der Blutplättchen (Thrombozytopenie) in der Vergangenheit. Im Fall eines Kontaktes mit Masernviren werden bei diesen Gegenanzeigen Immunglobuline als sog. Postexpositionsprophylaxe gespritzt.

Fieber, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und lokale Impfreaktionen wie Rötung, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle können wie bei allen Impfungen vorkommen und stellen harmlose Nebenwirkungen (Impfreaktionen) dar. Schwerwiegendere Impfkomplikationen wie ausgeprägte allergische Reaktionen sind sehr selten (siehe Tabelle 1). Das Auftreten einer Gehirnentzündung (Enzephalitis) oder Thrombozytopenie (Abfall der Blutplättchenzahl) ist extrem selten, der Zusammenhang der beobachteten Fälle mit der Impfung wird zudem kontrovers diskutiert. Das Risiko des Auftretens von Fieberkrämpfen ist nach der Impfung leicht erhöht, jedoch ohne langfristige Schädigungen.

Nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) werden Kinder normalerweise im Alter von 11 - 14 Monaten zum ersten Mal geimpft. Die empfohlene Zweitimpfung (keine Auffrischungsimpfung!) soll Kindern, die - aus unterschiedlichen Gründen - nach der Erstimpfung keine Immunität entwickelt haben, eine zweite Gelegenheit zur Entwicklung eines ausreichenden Schutzes geben. Die zweite Masernimpfung kann 4 Wochen nach der ersten Masernimpfung erfolgen und soll im Alter von 15 – 23 Monaten verabreicht werden. Kinder und Jugendliche, die noch nicht geimpft sind, sollten die Impfung so bald wie möglich nachholen.

Eine einmalige MMR (Masern-Mumps-Röteln) -Standardimpfung für Erwachsene sollte weiterhin bei allen nach 1970 geborenen ungeimpften bzw. in der Kindheit nur einmal geimpften Personen ≥ 18 Jahre oder nach 1970 geborenen Personen ≥ 18 Jahre mit unklarem Impfstaus nachgeholt werden. So sollten auch alle, die im Gesundheitswesen und bei der Betreuung von Immundefizienten sowie in Gemeinschaftseinrichtungen tätig sind, einmalig (vorzugsweise mit einem MMR-Impfstoff) geimpft werden.

Menschen, die im Rahmen der Krankenpflege Kontakt zu an Masern Erkrankten haben und nicht geimpft sind, wird eine sogenannte Riegelungs-Impfung innerhalb von drei Tagen empfohlen.

Die Impfeffektivität der zweimaligen Masernimpfung zur Verhinderung einer Masernerkrankung wird mit 92 – 99 Prozent angegeben.

Etwa 5 – 15 Prozent der Impflinge zeigen besonders nach der ersten Impfung die sogenannten „Impfmasern“ mit mäßigem Fieber, flüchtigem Exanthem und respiratorischen Symptomen, meist in der zweiten Woche nach der Impfung. Hierbei handelt es sich aber um eine milde, vorübergehende Symptomatik, die nicht ansteckend ist.

Die Einführung der Masernimpfung (DDR: 1970, BRD: 1973) hat zwar zu einem Rückgang der Masernerkrankungen in Deutschland geführt, hohe Maserninzidenzen und größere Ausbrüche zeigen jedoch, dass die Impfquoten nicht in allen Regionen Deutschlands ausreichend hoch sind, um einen Herdenschutz auszubilden.

Allerdings wurden durch eine wachsende Unterstützung der Ärzteschaft und Bereitschaft in der Bevölkerung zur zweifachen Impfung durchaus Fortschritte in Bezug auf die Erreichung ausreichender Impfquoten der Schulkinder mit einem MMR-Impfstoff gemacht. Lag die Impfquote gegen Masern zum Schuleingang im Jahr 2004 bei 93,5 Prozent für die erste Dosis und 65,7 Prozent für die zweite Impfstoffdosis, so wurden im Jahr 2012 schon 96,7 Prozent und 92,4 Prozent der Kinder geimpft. Damit wurde der WHO-Indikator von einer Impfquote von 95 Prozent für beide Dosen zumindest für die Schulkinder fast erreicht. Allerdings ist aufgrund des steigenden Alters der Masernerkrankten anzunehmen, dass weiterhin ungenügende Impfquoten insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bestehen. Dieses „Nicht-Geimpft-Sein“ ist auch die Ursache für die jetzt aktuell zu verzeichnenden Erkrankungsfälle.

Die Impfung ist wichtig und schützt nicht nur den größten Teil der Geimpften, sondern durch die „Herdenimmunität“ auch Neugeborene und Säuglinge vor der ersten Impfung oder Impfversager und Immunsupprimierte, die nicht geimpft werden können. Eine wirksame Impfung schützt idealerweise nicht nur den Einzelnen, sondern hat auch eine soziale Dimension.

Die aktuellen STIKO-Empfehlungen und weitere hilfreiche Informationen zum Impfen können unter folgendem Link aufgerufen werden: http://www.rki.de.

Über den Autor

Ute Hiller
Ute Hiller
Leitende Ärztin Hygiene
Lahn-Dill-Kliniken Wetzlar

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