Diagnosen aus dem Internet
Wie zuverlässig ist Dr. Google?
Das Internet hat unsern Alltag verändert. Nie zuvor war es so einfach beliebige Informationen rund um den Globus und jederzeit zu erhalten. Wo früher Telefonbücher gewälzt, dicke Nachschlagewerke bemüht oder in Bibliotheken und Fachbüchern recherchiert wurde trennen uns heute nur wenige Klicks von einer Antwort. Da ist es naheliegend auch bei gesundheitlichen Fragen die Antwort im Internet zu suchen. Das Angebot an medizinischen Fachportalen, Informationsseiten, Dienstleistungsanbietern bis hin zu Diagnose-Finder-Seiten ist scheinbar endlos und sicher unüberschaubar. Hinzu kommt ein wachsender Markt von Apps, die uns all diese Informationen, oft in verkürzter Form (a la Twitter) auf unsere mobilen Endgeräte bringen sollen.
Bequeme und einfache Beratung auf der Couch
So ganz anders als in der Realität ist der virtuelle Online-Doktor zu Hause auf der Couch ohne Wartezeit rund um die Uhr verfügbar. Sogenannte Symptom-Checker liefern Diagnosen nach wenigen Klicks. Im deutschsprachigen Internet bieten beispielsweise NetDoktor, Apotheken.de, Onmeda, Apotheken-Umschau, Was-fehlt-mir.net oder Enpevita Syptom-Checker an. Sie alle bieten auch Apps für Smartphone und Tablet an. Also mit wenigen Klicks zur Diagnose? Es ist fast wie in den Science-Fiction Folgen von "Raumschiff Enterprise" wo "Pille" mit einem tragbaren piepsenden Apparat binnen Sekunden jede Krankheit erkennt.
Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov glaubt hierzulande jeder Sechste, Gesundheits-Apps könnten den Arztbesuch ersetzen. Bei kleineren Krankheiten würde sich jeder Dritte vom Arzt auch übers Netz beraten lassen. Die Portale Onmeda.de, Gesundheit.de und Netdoktor.de verzeichneten im Oktober 2016 zusammen 33 Millionen Besucher im Internet (Zeit-Magazin, 22.12.16).
Doch wie zuverlässig sind Diagnosen aus dem Internet?
2/3 der Diagnosen sind falsch
In einer internationalen Studie der Harvard Medical School in Boston wurde die Qualität von 23 Online Symptom Checkern in den USA, Großbritannien, Polen und den Niederlanden untersucht. Das Ergebnis ist alarmierend: Nur jede dritte Diagnose ist richtig. Und manchmal wird sogar eine dringend erforderliche Notaufnahme von den Portalen nicht empfohlen. Auch in weniger dramatischen Fällen ist jeder unrichtige Ratschlag für den Patienten gefährlich. Falsche Selbstbehandlungen können schaden während eine Erkrankung voranschreitet und wichtige Zeit für die korrekte Diagnose und Behandlung verloren gehen. Experten kritisieren, die Anbieter sollten transparenter darstellen, was ihre Programme leisten und vor allem, was sie nicht können. Nutzer sollten die Ergebnisse hinterfragen: Verstehe ich überhaupt, was das steht? Kann das stimmen? Ist die Quelle vertrauenswürdig? Finde ich in unterschiedlichen Quellen dieselben Ergebnisse? Viele Diagnosen können nicht allein durch Fragen geklärt werden, sondern bedürfen einer körperlichen Untersuchung oder weiterer medizinischer Untersuchungen (z.B. Labor, bildgebende Verfahren etc.) Letztlich sollte ich das Ergebnis nur als einen Vorschlag verstehen, der durchaus falsch sein kann.
Mülltrennung ist wichtig
Das Angebot von Gesundheitsberater im Internet ist sehr groß. Leider gibt es da nicht nur seriöse Anbieter. So stellt sich die Frage, ob ein Anbieter neutral beraten kann, wenn er beispielsweise sein Geld damit verdient Arzneimittel zu verkaufen. Beim Bundesverband der Verbraucherzentralen gibt es eine Checkliste, die bei der Einschätzung der Portale helfen soll. Als erstes sollte man sich klar machen, wem das Internetangebot gehört und sich dann fragen, ob man diesem Anbieter vertrauen möchte. Dazu hilft ein Blick ins Impressum. Dort kann man z.B. lesen, dass Pharmagroßhändler Alliance Healthcare das Portal Gesundheit.de betreibt, das Portal Onmeda.de der Axel-Springer-Gruppe und Netdoktor.de dem Holtzbrinck-Verlag gehört. Die Webseite Vitanet.de kooperiert zusätzlich mit einem Netzwerk aus Apotheken, die "ihre Leistungen und besonderen Schwerpunkte innerhalb des Portals darstellen" dürfen. Als Nächstes sollte man sich als Nutzer fragen, wer genau die Artikel eines Gesundheitsportals verfasst hat und ob sie noch aktuell sind.
Fazit
Das Internet ist für Gesundheitsfragen zu einer wichtigen, unverzichtbaren Informationsquelle geworden und das ist gut so. Nicht alles, was im Internet steht, ist richtig, wahr oder seriös. Das gilt auch für Seiten mit medizinischen Inhalten. Ein verlässliches TÜV-Siegel gibt es im Internet leider nicht. Daher sollten Sie kritisch prüfen, was sie "googlen" und welche Inhalte vertrauenswürdig sind. Auf die Diagnose der Symptom-Checker sollte man sich besser nicht verlassen. Aber: Wie alle technischen Entwicklungen werden vermutlich auch diese Programme in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter entwickelt und besser werden. Wir sollten es abwarten und dann neu bewerten.
Über den Autor
Chefarzt Innere Medizin
Dill-Kliniken