Was tun bei Nierenkrebs?
Nierenkrebs - eine Geschichte, Teil 1
Heinz B. war wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte nie etwas gespürt, nie Schmerzen gehabt, nie Blut im Urin gesehen. Wie konnte da jetzt ein Tumor in der linken Niere sein? Er war wegen harmloser Magenbeschwerden bei seinem Hausarzt gewesen und der hatte einen Ultraschall gemacht. Dabei war ihm zufälligerweise diese Raumforderung wie er es nannte, dieser Schatten auf der linken Niere aufgefallen. Sein Hausarzt schickte ihn in eine Röntgenpraxis. Dort wurde eine CT, eine Computertomographie durchgeführt, weil man diesen Tumor genauer betrachten wollte. Mit den CT-Bildern hatte ihn sein Arzt zum Urologen in das Krankenhaus geschickt. „Das muss wahrscheinlich operiert werden“, hatte sein Hausarzt ihm gesagt.
Mit seiner Frau saß Herr B. nun angespannt in dem Besprechungszimmer des Urologen. Die letzten Nächte hatte er schlecht geschlafen. So viele Dinge gingen ihm durch den Kopf. Er war gerade einmal vor einem Jahr in Rente gegangen. Er hatte noch so viel vor. Mit seiner Frau reisen, sich um seine beiden Enkel kümmern, sehen wie sie aufwachsen. Auch in seinem Fußballverein war er sehr engagiert und wurde von seinen Vereinskameraden sehr geschätzt. Und jetzt das! Raumforderung, Tumor, Schatten – das konnte doch nur Krebs bedeuten. Er hatte Angst.
Die Niere – Multitalent unseres Körpers
Die Nieren als Ausscheidungsorgane sind für die Produktion von Urin zuständig, mit dem Giftstoffe aus dem Blut herausgefiltert und ausgeschieden werden. Sie regulieren den Wasser- und Salzhaushalt unseres Körpers und beeinflussen den Blutdruck. Darüber hinaus spielen sie beim Blutaufbau eine wichtige Rolle.
Wie entsteht Nierenkrebs?
Der Nierenkrebs ist eine bösartige Erkrankung. Hierbei entarten Zellen des Nierengewebes, vermehren sich unkontrolliert und breiten sich in der Niere aus. Dabei können sie an die Nierenoberfläche gelangen, dort weiter in die Umgebung hinein wachsen oder über Blut- oder Lymphwege in die Lymphknoten oder in andere Organe (am häufigsten die Lunge) gelangen und dort Absiedlungen, sogenannte Metastasen setzen.
Am häufigsten tritt der Nierenkrebs zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Männer erkranken häufiger am Nierenkrebs als Frauen.
Wie häufig ist Nierenkrebs und was sind Risikofaktoren?
Wir zählen in Deutschland pro Jahr etwa 6 neue Erkrankungsfälle auf 100.000 Einwohner. In den letzten 25 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit deutlich gesunken, am Nierenkrebs zu versterben. Grund dafür ist, dass heutzutage die meisten Nierentumore frühzeitig als Zufallsbefund entdeckt werden, wenn sie noch klein sind. In früheren Jahren führten Schmerzen, sichtbares Blut im Urin und ein durch die Bauchdecke tastbarer Tumor zur Diagnose Nierenkrebs.
Heute liegt das Risiko an einem diagnostizierten Nierenkrebs zu versterben bei etwa 30 Prozent.
Risikofaktoren für die Entstehung von Nierenkrebs sind Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, zystische Nierenerkrankungen und chronische Hämodialyse.
Nierenkrebs - eine Geschichte, Teil 2
Am PC-Bildschirm schaute sich der Urologe die CT-Bilder an und erläuterte Heinz B. und seiner Frau, was es zu sehen gab. Da war dieser Tumor im unteren Nierenbereich mit einem Durchmesser von 5 cm. „Kann das nicht auch gutartig sein?“, fragte Herr B. „Ich will Sie jetzt nicht noch mehr beunruhigen“, antwortete der Urologe, „aber im CT hat dieser Tumor alle Kriterien für eine bösartige Veränderung der Niere. Daher sollte dieser Tumor durch eine Operation entfernt werden. Aufgrund der relativ geringen Größe und der günstigen Position, kann der Tumor voraussichtlich herausoperiert werden, ohne die gesamte Niere entfernen zu müssen. Und es gibt auch gute Nachrichten – auf den CT-Bildern scheint der Tumor eng auf die Niere begrenzt zu sein, es sind keine Metastasen sichtbar, also bestehen gute Aussichten, dass Sie durch diese Operation geheilt werden können.“ Das hörte sich gut an und nahm Herrn B. einen Teil seiner Ängste. Seine Niere behalten zu können tröstete Herrn B., auch wenn er nicht begeistert davon war, sich operieren lassen zu müssen. Der Urologe erläuterte dem Ehepaar das Vorgehen bei der Operation. Der Eingriff würde etwas über eine Stunde dauern. Der Krankenhausaufenthalt würde ca. eine Woche betragen. Für die Operation wurde ein Termin für die übernächste Woche vereinbart.
Wie wird Nierenkrebs behandelt?
Wird ein Nierentumor entdeckt und ist er nicht zu groß und hat eine günstige Position, dann wird der Operateur stets versuchen, den Tumor mit einem Sicherheitsabstand von wenigen Millimetern zum gesunden Nierengewebe zu entfernen und die Niere zu erhalten.
Nur bei sehr großen oder zentral sitzenden Tumoren ist eine komplette Entfernung der Niere mit dem Tumor notwendig.
Eine etwaige Biopsie des Tumors und dann ein abwartendes Verhalten mit Kontrollen ohne zu operieren sind nur bei sehr kleinen Tumoren und sehr alten oder kranken Patienten sinnvoll.
Was tun, wenn der Nierenkrebs bereits gestreut hat?
Etwa 10 Prozent der Nierenkrebserkrankungen haben bei ihrer Entdeckung bereits Metastasen gesetzt. In der Zeit nach einer Operation entwickeln noch 20 Prozent der Patienten Metastasen.
Insgesamt erkranken ca. 5.000 Einwohner pro Jahr in Deutschland an einem Nierenkrebs mit Metastasen. Das Problem des Nierenkrebses ist, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Krebsarten weder auf eine Chemotherapie noch auf eine Strahlentherapie anspricht. Das macht ihn so gefährlich.
Die Erfolge bei der Behandlung von weit fortgeschrittenen bzw. metastasierten Nierenkrebserkrankungen mit Medikamenten sind mittlerweile so gut wie noch nie zuvor. Durch den Einsatz von sogenannten Tyrokinaseinhibitoren (TKI), die die Blutgefäßversorgung der Tumorzellen stören und sie somit von ihrer Ernährung abschneiden, konnten bereits deutlich verbesserte Erfolge erzielt werden. Aktuell große Hoffnungen wird auf die neu entwickelten Checkpoint-Inhibitoren gesetzt, die über eine Blockade in den Immunwegen Tumorzellen in ihrem Wachstum hemmen. Sowohl die TKI als auch die Checkpoint-Inhibitoren können entweder allein oder in einer Kombination angewendet werden. Zwar können diese Medikamente die Nierenkrebserkrankung nicht heilen, aber sie verlängern die Lebenszeit deutlich.
Nierenkrebs – eine Geschichte, Teil 3
Mittlerweile sind vier Jahre vergangen, seitdem Heinz B. operiert wurde. Seine Niere konnte erhalten und der Nierenkrebs komplett entfernt werden. Er war bereits 7 Tage nach der Operation aus dem Krankenhaus entlassen worden. Weder bei der Operation noch in der Zeit der Wundheilung gab es irgendwelche Probleme. Heute erinnert nur noch die Narbe an die Operation. Herr B. und seine Familie sind überglücklich, dass der Nierenkrebs rechtzeitig erkannt und durch die Operation entfernt wurde. Regelmäßig stellt sich Herr B. bei seinem Urologen zur Nachsorge vor. Dieser ist sehr zufrieden. Die Blutwerte sind gut. Die Ultraschall- und computergraphischen Kontrollen zeigten keinerlei Auffälligkeiten. „So kann es bleiben“, denkt Herr B. häufig. Seine Tumorerkrankung hatte auch etwas Gutes. Herr B. genießt nun sein Leben heute doppelt und dreifach und ist dankbar für jeden gesunden Tag, an dem er für sich selbst und seine Familie, seine Enkelkinder da sein kann. Er weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist.
Manchmal trifft er sich in einer Selbsthilfegruppe mit anderen Betroffenen. Er hört sich jede einzelne Geschichte an, gibt gerne Auskunft, wie er sich fühlte, als der Nierenkrebs bei ihm festgestellt wurde. Es ist ihm wichtig, anderen Betroffenen zu vermitteln, dass sie sich von ihrer Angst nicht lähmen lassen sollen, den Kopf nicht in den Sand stecken sollen: „Geht diese Erkrankung aktiv an! Übernehmt die Verantwortung für euer Leben, eure Therapie und eure Gesundung. Redet über eure Krankheit und lasst euch von kompetenten Ärzten helfen.“
Was hatte sein Operateur damals vor der Operation gesagt? „Herr B., das ist jetzt echtes Teamwork. Wir klären den Nierenkrebs ab und operieren Sie. Und Sie versprechen, gesund zu werden und Freude an ihrem Leben zu haben. Das sind die besten Voraussetzungen, diese Tumorerkrankung zu besiegen!“
Wer hilft bei Nierenkrebs?
Die kompetenten Ansprechpartner für Nierenkrebserkrankungen sind die Fachärzte für Urologie. Entweder vereinbart man einen Termin bei einem niedergelassenen Urologen in der Praxis oder lässt sich bezüglich der verschiedenen Möglichkeiten einer Operation oder hinsichtlich der medikamentösen Therapie bei fortgeschrittener Erkrankung von den Spezialisten der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Urologische Onkologie am Klinikum Wetzlar beraten. Die Klinik bietet hierfür eine Zweitmeinungssprechstunde an. Ein Termin kann über Telefon 0 64 41 / 79-24 26 vereinbart werden. Auf der Internetseite der Urologischen Klinik können Sie sich schon einmal über die Klinik und über urologische Erkrankungen informieren:
Das Lebenshaus e. V. bietet eine Selbsthilfegruppe für Nierenkrebs an, in der sich Betroffene treffen und untereinander austauschen können. Ansprechpartner für den Lahn-Dill-Kreis ist der Vorsitzende Herr Dieter Ludwig (Internetkontakt: https://www.daslebenshaus.org/regionale-kontakte/nierenkrebs-gruppen/lahn-dill.html)
Über den Autor
Chefarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Urologische Onkologie Lahn-Dill-Kliniken